Bayern 2 - Notizbuch


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Christine Gräfin von Kalckreuth Bonhoeffers Tante in München

München wird in der Biographie Bonhoeffers meist wenig Beachtung geschenkt. Die Isarstadt spielte aber eine zentrale Bedeutung für sein Doppelleben als Kirchenmann und Widerstandskämpfer. Hier war er polizeilich gemeldet - in der Wohnung seiner Tante Christine Gräfin von Kalckreuth.

Stand: 07.04.2015 | Archiv

Christine Gräfin von Kalckreuth 1961 mit der kleinen Barbara Gräfin von Kalckreuth | Bild: Familie von Kalckreuth

In der Unertlstraße Nummer 1, im ersten Stock befand sich die Wohnung der Malerin Christine "Ninne" Gräfin von Kalckreuth. "Kaum jemand aus der Familie wusste etwas von der Unertlstraße als Bonhoeffersche Alibi-Adresse", erinnert sich Barbara Gräfin von Kalckreuth bei der Gedenkveranstaltung zum 70. Todestag von Dietrich Bonhoeffer am Ostersonntag in München. Während er in München gemeldet war, unternahm er Reisen im In- und Ausland für den Widerstand.

Küche als Kommunikations- und Nachrichtenzentrale

Die Unertlstraße Nummer 1 in München: Hier hatte Dietrich Bonhoeffer ab Herbst 1940 bei seiner Tante eine Alibi-Adresse.

Christine Gräfin von Kalckreuth war durch die verwandtschaftliche Nähe zu den Familien Bonhoeffer, Dohnanyi, Yorck und Moltke über den Widerstand gut informiert. Sie blieb aber unbeteiligt und schützte vor allem ihre Verwandten. Allerdings wurde ihre Küche zur wichtigen Kommunikationszentrale und Nachrichtenschaltstelle der Familie während des Krieges und auch danach, da sie als eine der wenigen nicht ausgebombt war.

Christine Gräfin von Kalckreuth wurde am 22. März 1898 in Karlsruhe geboren als Tochter des Malers Leopold von Kalckreuth. Sie studierte zunächst bei ihrem Vater Malerei, da sie dessen Begabung geerbt hatte, und ging dann zum Mal- und Zeichenstudium zu Emil Orlik nach Berlin. Später wechselte sie für ein paar Jahre nach Weimar und zog 1934 nach München, wohl um näher bei ihrem Bruder Johannes leben zu können. Sie blieb zeitlebens unverheiratet, was sie durch ein sehr reges gesellschaftliches Leben ausglich.

Künstlerin und "lebenslustiges Original"

"Ninnes Künstlerdasein bewegte sich außerhalb von Konventionen, sie lebte wie eine Bohemienne, obwohl sie wohl auch gern ein etwas geordneteres Leben geführt hätte. So wie es war, blieb sie ein lebenslustiges Original, stets am Rande ihrer finanziellen Möglichkeiten", sagt Barbara von Kalckreuth. Christine von Kalckreuth illustrierte Bücher vieler Verlage, zum Beispiel für Ullstein sowie für die Süddeutsche Zeitung und vor allem für die Stuttgarter Zeitung. Feder- und Tuschzeichnungen waren ihre Spezialität. Daneben gibt es von ihr aber auch Aquarelle mit religiöser Bedeutung und Märchenillustrationen.

Anfang der 70er Jahre zog Christine von Kalckreuth aus Altersgründen ins Wohnstift Augustinum in München, wo sie am 18. Mai 1984 starb.


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