Bayern 2 - Nachtmix


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Janis Joplin Nevermind, we are ugly but we have the music

Von einer ordentlichen Karriere kann in der Tat keine Rede sein. Am 19.Januar 2013 wäre Janis Joplin 70 Jahre alt gewörden. Wäre - sie starb zuvor - bereits mit 27.

Von: Klaus Walter

Stand: 25.02.2013 | Archiv

Janis Joplin | Bild: picture-alliance/dpa

"Sie steht quer zu allen Linien, in die sie passen sollte: Sie ist viel zu verworfen und deftig für eine weiße Frau, ihre Sprache und ihre Gesten sind zu dreckig, sie ist zu dick für ein Idol, nach dem sich die weißen Fans sehnen sollen, und zu verwurschtelt für eine ordentliche kontinuierliche Karriere."

Pieke Biermann und Guy St.Louis, 1979

Von einer ordentlichen oder kontinuierlichen Karriere kann in der Tat keine Rede sein. Am 19. Januar 2013 wäre Janis Joplin 70 Jahre alt gewörden. Wäre – wäre sie nicht schon am 4.Oktober 1970 gestorben, allein in einem Hotelzimmer, an zu reinem Heroin. Das war zu viel für den geschwächten Körper, sie war vorher gerade mal ein halbes Jahr clean. Janis Joplin stirbt mit 27, so wie vor ihr Brian Jones und Jimi Hendrix, so wie nach ihr Jim Morrison und Kurt Cobain. Sie ist also die einzige Frau im Club der selbstzerstörerischen 27er.

Janis Joplin hat in ihrem schmalen Repertoire viele Songs hinterlassen, die man als Leitmotiv ihres kurzen Lebens verstehen könnte: „A Woman Left Lonely”, eine alleingelassene Frau, „Little Girl Blue“, das traurige kleine Mädchen, „I´ll Drown In My Own Tears“, ich werde in meinen eigenen Tränen ertrinken. Oder auch „Buried alive in the Blues“, lebendig begraben im Blues. Meist hat sie die Lieder anderer Künstler interpretiert, berühmte Songs wie Gershwins „Summertime“ oder „To Love Somebody“, ein Klassiker geschrieben von den Bee Gees. Viele, viele haben ihn aufgenommen, von Nina Simone bis Gram Parsons gibt es wunderbare Versionen, aber niemand hat sich mit solcher Inbrunst in dieses Lied geworfen wie Janis Joplin.

Die Klage, der Schrei, das Flüstern

Kritiker haben ihr einen „hemmungslosen Vokalstil“ bescheinigt, ein zweischneidiges Kompliment.

"Die Klage, der Schrei, das Flüstern – sie alle gehören zum Blues, und Janis Joplin hat sie alle beherrscht, hat in unerhörter Intensität Innerstes nach außen gekehrt, hat es dir um die Ohren geschlagen: Aggression, Verletzlichkeit, Einsamkeit, Begehren, Leidenschaft."

Tine Plesch

Das schreibt die ebenfalls jung gestorbene Autorin Tine Plesch über Janis Joplin, und weiter:

"Janis Joplin wurde 1943 in Port Arthur, Texas, geboren, als die Rassentrennung noch fest verankerter Teil des gesellschaftlichen Lebens vor allem der Südstaaten und `nigger-knocking´ - also: Negerklatschen - ein Freizeitvergnügen war. Von all dem hielt Janis Joplin nichts, interessierte sich für Musik, Lyrik und Kunst und galt so schnell als Außenseiterin - `a weirdo among fools´ nannte sie es. Sie schloss sich einer Jungs-Gang an, sie passte nicht ins Bild, ins damals gängige Frauenbild schon gar nicht, sie wurde verspottet als `hässlichster Mann auf dem Unigelände´."

Tine Plesch

Der Durchbruch in Monterey

Ihren Durchbruch schafft Joplin mit dem Album “Cheap Thrills” als Sängerin von Big Brother & The Holding Company. Damit landet die Band aus San Francisco 1968 einen der Hits der Saison. Sage und schreibe acht Wochen steht „Cheap Thrills” an der Spitze der Billboard-Charts, der Rolling Stone listet die LP auf Platz 338 unter den 500 besten Alben der Rockgeschichte. Der Stern von Big Brother & The Holding Company – und damit auch der von Janis Joplin geht 1967 in Monterey auf, beim ersten großen Rockfestival in den USA.

Zwei Jahre später wird Joplin als eine der großen Attraktionen zum Woodstock-Festival eingeladen. Als sie die Menschenmassen auf der riesigen Wiese sieht wird sie noch nervöser, als sie sowieso schon ist. Das Publikum reagiert begeistert auf ihren Auftritt, aber Janis Joplin ist unzufrieden mit sich selbst. Den Mitschnitt ihres Auftritts gibt sie weder für den Dokumentarfilm noch für das Soundtrack-Album frei, aus kommerzieller Sicht eine fatale Entscheidung, schließlich hat der Film den Karrieren aller beteiligten Künstler einen gewaltigen Schub gegeben. Erst 25 Jahre später tauchen drei Songs auf der Jubiläums-Ausgabe auf. Selten war das das Wort vom „sich die Seele aus dem Leib schreien“ angebrachter.

Die Legenden um Woodstock

Viele Legenden ranken sich um Janis Joplins Auftritt in Woodstock. Eine besagt, dass Janis nach der Show mehr oder weniger öffentlichen Sex im Hotel gehabt haben soll, mit ihrem Kollegen und Teilzeit-Boyfriend Country Joe MacDonald, genau der Country Joe MacDonald, der das Woodstock-Festival um das berühmteste Vierbuchstabenwort der Rockgeschichte bereichert hat.

Über das Sexleben von Janis Joplin wird viel geschrieben und viel spekuliert. Sie liebt nicht nur Männer sondern auch Frauen, das bringt ihr auch in Zeiten des Summer Of Love so manchen Ärger ein. Ein berühmter männlicher Sexpartner hat eine Liebesnacht mit Janis in einem Song verewigt. „I remember you well in the Chelsea Hotel“, singt Leonard Cohen. In der berüchtigten Absteige der New Yorker Boheme trifft er Janis Joplin. Die Kollegin bevorzugt eigentlich gutaussehende Männer, aber für ihn macht sie eine Ausnahme, heißt es in dem Song, nicht ohne Koketterie. Und dann legt der berühmte Sänger der berühmten Sängerin eine ganz wunderbare Zeile in den Mund: „Nevermind, we are ugly but we have the music“...wir sind häßlich, aber wir haben die Musik.

You were giving me head in an unmade bed“, heißt es da weiter. Im ungemachten Bett hat sie ihm Kopf gegeben.To give head ist irgendwie die schönere Umschreibung für diese schöne Beschäftigung, schöner als die deutschen Bezeichnungen. Leonard Cohen spielt auch auf einen der größten Hits von Janis Joplin. Die Zeile „You were famous your heart was a legend” bezieht sich auf den Song „Piece Of My Heart“.

Lebensstil vs. Musik

Später hat Cohen übrigens bedauert, dass er diese Affäre oder den One Night Stand mit Joplin öffentlich gemacht hat, dass er ihre Anonymität nicht geschützt hat und damit Janis Joplin einmal mehr den öffentlichen Spekulationen preisgegeben hat: Hetze und Häme inklusive.

"Journalisten reden weniger über meinen Gesang als über meinen Lebensstil. Vielleicht können die Leute meine Musik besser genießen, wenn sie glauben, dass ich mich selbst zerstöre."

Janis Joplin

In diese Kerbe schlagen auch Pieke Biermann und Guy St.Louis in ihrer Biografie und sie schrecken nicht zurück vor dem ganz großen Pathos des Rock´n´Roll:

"Aber Janis Joplin ist nicht wegzufegen und als man sie dazu gebracht hat, sich zu Tode zu saufen und zu fixen, weil es für derart radikale Ausbrüche aus der Gefangenschaft keine Integration geben darf, werden ihre Platte erst recht gekauft."

Pieke Biermann und Guy St. Louis

Freedom´s just another word for nothing left to loose

Am meisten gekauft wird „Pearl“ – Perle. Das war ein Spitzname von Janis Joplin und „Pearl“ es ist der Titel ihres größten Erfolges. Den sie aber nicht mehr erlebt: das Album „Pearl“ wird posthum im Frühjahr 1971 veröffentlicht und rangiert beim Rolling Stone auf Platz 122 unter den 500 besten Alben der Rockgeschichte. Darauf findet sich auch eine der wenigen Eigenkompositionen Joplins. “Move Over” ist ihr sarkastischer Kommentar zum Umgang von Männern mit ihren Geliebten. „Du sagst es ist vorbei, Baby, also mach" schon Platz für die Nächste!“

Einer der bekannteren Geliebten von Janis Joplin ist im Frühjahr 1970 ein gewisser Kris Kristofferson. Der hinterlässt ihr nach dem Ende der Affäre einen Song. Er heißt „Me And Bobby McGee“ und darin gibt es eine Zeile, die immer wieder zitiert wird, wenn es darum geht, das Leben von Janis Joplin auf einen griffigen Nenner zu bringen: Freedom´s just another word for nothing left to loose, Freiheit, das ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Dank Janis Joplin geht dieser Spruch ein ins Poesie-Album der Popgeschichte. Und er dient als Leitmotiv der Mythologisierung von Janis Joplin. Der Mythos der selbstzerstörerischen, sich verzehrenden Künstlerin dominiert den Blick auf Janis Joplin, im Grunde seit ihrem frühen Tod. Und vielleicht überlagert dieser Mythos auch interessantere Aspekte ihrer Kunst.


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