Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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31. Januar 1733 Wolfgang-Ernst III. zu Isenburg-Birstein genehmigt die erste Tabakfabrik Deutschlands

Was nützt Adel, was bringen große Namen, wenn man pleite ist? Denkt sich Graf Wolfgang Ernst III. zu Isenburg-Birstein und überlegt was man tun könnte, um doch noch reich zu werden. Privilegien verteilen, andere arbeiten lassen und absahnen in einem aufstrebenden Marktfeld wie Tabak! Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 31.01.2022 | Archiv

31 Januar

Montag, 31. Januar 2022

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Haa… haa… hatschi! Ah, das hat gutgetan! Ein bisschen Tabak, ein herzhafter Nieser, schon ist die Nase leergeräumt und blankgefegt. Ach, wenn nur alles so einfach wäre. Aber so leicht wird Wolfgang Ernst zu Isenburg-Birstein seine Sorgen nicht los. Die Feste, die Kutschen, Schlösser, Pferde, die Dienstleute und Soldaten, das frisst ihn auf. Der Graf braucht Geld, mehr als sein Grundbesitz abwirft.

Erlaucht sind hoch verschuldet, wie alle kleinen und großen Herren ringsum. Aber sparen? Unmöglich! Adel verpflichtet, auch zur standesgemäßen Prachtentfaltung. Prunken, protzen, zeigen, dass man mithalten kann, darum geht es! Nur wie? Woher die Mittel nehmen? Könnte vielleicht diese caprice aus Frankreich helfen, dieses Manufakturgewese, das jetzt in Bayern, Sachsen, Preußen très à la mode ist? Die Fürsten dort begünstigen neuerdings die Produktion begehrter Luxusgüter durch Privilegien und verdienen kräftig an Steuern und Zöllen.

Woher nehmen?

So ein goldener Segen käme dem Grafen gelegen. Ein souveräner Landesherr ist er allemal, Freiheiten und Vorrechte kann er auch gewähren. Doch welches commercium fördern, was trägt Gewinn und Gulden ein? Das will gründlich erwogen sein. Das Ding ist vertrackt, die Gedanken stocken. Zur Lockerung seiner trägen Verstandeskräfte beklopft der Graf gemächlich seine Tabatiere, verräumt ein solides Quantum in beiden Nasenlöchern, zieht schniefend hoch, poliert säuberlich nach und - Mon Dieu, c'est ça! Schnupftabak! Natürlich! Jung und Alt, Mann und Frau, alle schnupfen! Und beileibe kein simples Wald- und Wiesenkraut, sondern raffiniertes mit Lavendel-, Rosen- und Fruchtessenzen verfeinertes Nasengenäsch.

Hochgezogen!

Tabak pflanzt man in der Pfalz schon lange, ihn aber zum Gebrauch zu veredeln, darauf ist hierzulande noch keiner gekommen. Das verstehen bislang nur Engländer, Franzosen und Spanier, die ihre Rezepturen wie Staatsgeheimnisse hüten. Hm, statt teurer Importe heimische Fabrikate anzubieten, das hätte Zukunft, kein Zweifel! Fehlt nur noch einer, der das Geschäft auf die Beine stellt. Der kühne Entrepreneur ist bald gefunden. In Frankfurt, keine zwei Fußstunden entfernt, plant Johann Nikolaus Bernard schon lange die Errichtung einer Schnupftabakmanufaktur. Der Erbe eines Tabakhandels kennt die Schliche der Branche, hat französische Spezialisten angeworben, platzt vor Tatendrang. Doch die Herren von Rat bremsen ihn aus. Eine Fabrik? Gott bewahre! Für derlei modischen Kram ist in Frankfurt kein Platz.

Da kommt die Offerte aus Isenburg-Birstein wie gerufen: Billiges Bauland, ein Monopol auf die Tabakherstellung, Zollfreiheit und die Gnade, das gräfliche Wappen zu führen, das ist jeden Umzug wert. So kommen Topf und Deckel zusammen, und schließlich gestatten Erlaucht Wolfgang Ernst am 31. Januar 1733 die Gründung der "Gräflich Isenburgisch privilegierten Schnupftabakfabrik" zu Offenbach am Main. Die erste deutsche Tabakmanufaktur floriert auf Anhieb und gedeiht bis heute. Sieht ganz so aus, als hätte Graf Wolfgang Ernst zu Isenburg-Birstein den richtigen Riecher gehabt.

Hatschi! Und wohl bekomms!


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