Bayern 2 - Das Kalenderblatt


0

19. Februar 1942 Was-wäre-wenn-Tag

Am 19. Februar 1942 fallen die Nazis im kanadischen Winnipeg ein, plündern die Bevölkerung, verhaften Politiker und verbrennen Bücher. Was die geschockten Einwohner dabei kurzzeitig vergessen - mithilfe von Kriegsanleihen können sie sich freikaufen. Denn die Bürger sollen zum Kauf von Victory Bonds animiert werden. Autorin: Fiona Rachel Fischer

Stand: 19.02.2024 | Archiv

19 Februar

Montag, 19. Februar 2024

Autor(in): Fiona Rachel Fischer

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Frank Halbach

"Ich bitte Sie, bleiben Sie ruhig und folgen Sie unbedingt den Instruktionen der Besatzer. Leisten Sie keinen Widerstand!" So oder so ähnlich bittet der Bürgermeister des Kanadischen Winnipeg die Bürger im Radio um Mithilfe. Zeitgleich lesen die ungläubigen Bewohner die offizielle Verhängung der Todesstrafe für jeden, der sich der deutschen Armee widersetzt. Der deutschen Armee. In Kanada??
Es ist der 19. Februar 1942 -,  aber wann haben denn Truppen aus dem Dritten Reich je nordamerikanischen Boden betreten? Glücklicherweise nie. Doch am 19. Februar 1942 bereitet sich die Bevölkerung auf ungewöhnliche Weise auf einen solchen Angriff vor - am Was-wäre-wenn-Tag.

Was wäre wenn?

Was wäre also, wenn den Alliierten plötzlich die Moneten ausgingen, um den geldgierigen Schlund der Rüstungsindustrie zu füttern? Das darf auf keinen Fall passieren, also - es kaufe Kriegsanleihen, wer sich Kriegsanleihen leisten kann! Verschiedene Botschaften schicken die Behörden durch die Propagandamaschinerie: Kriegsanleihen seien eine gute Geldanlage, damit ein gutes Geburtstagsgeschenk für jedermann, ein Weg die Inflation aufzuhalten, eine Unterstützung für die Söhne des Landes an der Front, eine Entschuldigung der Daheimgebliebenen sozusagen. Radiobeiträge, Poster, Filmclips, Festivitäten. Doch mit der Rationierung und bereits nach einigen erworbenen Anleihen sinkt die Bereitschaft der Bevölkerung, noch mehr für den Krieg zu opfern.
Dann, so sehen es die Zuständigen, müssen die Kanadier eben fühlen. Nämlich, wie schrecklich so eine Naziinvasion wäre. Deshalb veranstalten sie im Februar 1942 einfach selbst eine. Spät am 18. Februar werden über der Provinz Manitoba die ersten deutschen Flugzeuge gesichtet.

Um 6 Uhr früh ertönt das unheimliche Geheul der Sirenen und keine Stunde später beginnt die Schlacht vor den Toren Winnipegs. Um 9:30 sind die verzweifelten Kämpfe vorbei und die Stadt wird geflutet von Nazis in Hollywood-Uniformen und hingeschminkten Kampfwunden. Sie plündern gnadenlos die Stadt, ziehen Bürger aus ihren Fahrzeugen und beschlagnahmen die Autos. Wechselgeld erhält man nur noch in Papierreichsmark. Noch stärkere Rationierungen verhängen die Besatzer auch, denn aller Weizen soll für Nazi-Deutschland abgezweigt werden. Die kostümierten Herren schließen Kirchen, vor der Stadtbibliothek verbrennen sie Bücher - also ohnehin bereits ausgesonderte. Und selbstverständlich werden die führenden Politiker, darunter der Bürgermeister selbst, festgenommen und in ein „Konzentrationslager“ gesteckt. Das ganze Programm also. Eine solche Propaganda-Kampagne lässt sich nämlich wunderbar mit einer Militärübung im städtischen Raum verbinden.

Money makes the world go around

Natürlich war die Bevölkerung vorgewarnt. Doch viele lassen sich von der Echtheit der Eroberung hinters Licht führen. Wie soll man sich nur aus dieser schrecklichen Situation befreien? Indem man ein saftiges Lösegeld bezahlt. 45 Millionen Dollar sollen die besetzten Kanadier in Kriegsanleihen investieren, um sich freizukaufen. Die Angstmache funktioniert. Um 20 Millionen Dollar übertreffen die Einwohner von Manitobia das Finanzziel. Von diesem Zeitpunkt an überlegt es sich jeder von ihnen besonders gut, ob man dem Enkelkind selten gewordenes Zuckerwerk zum Geburtstag schenkt, oder doch lieber eine Kriegsanleihe.


0