Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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29. Februar 1940 "Vom Winde verweht" gewinnt zehn Oscars

Kein afroamerikanischer Künstler hatte in je gewonnen: einen der begehrten Oscars. Bis Hattie McDaniel einen als beste Nebendarstellerin für "Vom Winde verweht" erhielt. Ihre Rolle: eine loyale Sklavin in einem Setting, das die Sklaverei im alten Süden romantisierte und rassistische Klischeevorstellungen nährte. Autorin: Katharina Hübel

Stand: 29.02.2024 | Archiv

29 Februar

Donnerstag, 29. Februar 2024

Autor(in): Katharina Hübel

Sprecher(in): Christian Baumann

Redaktion: Frank Halbach

Er ist nur knapp größer als ein DIN-A-4-Blatt. Aus Bronze und mit Gold überzogen. Ein Mann mit einem Schwert, der auf einer Film-Rolle steht. Der Oscar. Der Filmpreis der Filmpreise. Von dem keiner so genau weiß, weshalb er überhaupt so heißt: natürlich ist Oscar nur sein Spitzname. Die kruden Theorien über irgendwelche Onkel und Ehemänner sparen wir mal aus. Es gibt kaum etwas, was der Oscar nicht erlebt hätte. Er wurde schon geklaut, verkauft, von Betrügern entgegengenommen, verweigert, zum politischen Protest genutzt, irrtümlich den Falschen zuerkannt. Er ist regelmäßig der Grund, weshalb überschwänglich Gott gedankt wird, oder geohrfeigt, nackt geflitzt, in der Lobby gestorben wird.

Ein besonderer Oscar

In dieses wilde Panoptikum reiht sich ein: der 29. Februar 1940. An diesem Tag gingen zehn Oscars an einen einzigen Film: "Vom Winde verweht", die Literaturverfilmung von Margret Mitchells Bürgerkriegs-Drama, das bis heute in Kinos auf der ganzen Welt zu sehen ist. Für damalige Verhältnisse hatte er ein Budget, das den Leuten den Atem verschlug: 3, 8 Millionen US Dollar. Ein Farbfilm. Eine Million Menschen kamen damals zur Premiere, die Eintrittskarten konnte man für das Zwanzigfache unter der Hand handeln; Georgias Gouverneur hatte einen Feiertag ausgerufen. Drei Tage lang wurde gefeiert. Jedoch: Nicht alle Beteiligten durften mitfeiern. Die Festlichkeiten fanden statt ohne die schwarzen Darsteller. Damals galt noch die Rassentrennung, weswegen sie nicht zu ihrer eigenen Filmpremiere ins Kino gehen durften. Dann: Die Oscarverleihung – und die Überraschung: Hattie McDaniel gewinnt als erste person of color einen Oscar. Als beste Nebendarstellerin: Sie spielt das namenlose Kindermädchen, das der verwöhnten Südstaaten-Prinzessin loyal und treu ergeben zur Seite steht. Nicht nur die Rolle ist retrospektiv als rassistisch kritisiert worden.
Auch die damalige Zeit war es durchaus noch: Während der Verleihung musste Hattie an einem abgetrennten Tisch sitzen - fernab vom Rest der weißen Crew.

Vom Winde verweht?

Erst nach ihrem Tod gibt es dann das Happy End für Hattie: Hattie liegt heute gemeinsam mit anderen Schauspielgrößen auf dem Hollywood Forever Cemetery beerdigt, hat einen Stern am Hollywood Walk of fame und diente als Vorlage für einen charakter in einer US-amerikanischen Hollywood-Serie. Doch eine Sache, die sich nach ihrem Tod zugetragen hat, ist besonders bemerkenswert: Hatties Oscar war einige Jahre in der Howard University in einer Vitrine ausgestellt, um Mut zu machen; die Howard University ist eine der ersten Universitäten für People of color in den USA. Hatties Oscar war dann plötzlich weg. Verschwunden. In den späten 1960ern. Bis heute weiß keiner so recht, warum. Die Oscar-Academy wollte ihn nicht ersetzen - weil sie das grundsätzlich nicht tut. Wenn jemand seine Statue verliert: Pech gehabt. Jahrzehntelang lief eine Petition, dass die Academy in Hatties Fall doch bitte eine Ausnahme machen solle. Und dann - im Herbst 2023 - das Einsehen. Hatties Oscar wurde nachgegossen. Er ist einer von zehn Oscars, mit denen "Vom Winde verweht" damals Furore machte. Aber vielleicht der historisch wichtigste.


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