Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15.11.1953 "Stimme der DDR" geht auf Sendung

Der Kalte Krieg zwischen Ost und West macht auch vor dem Äther nicht Halt. Westsender strahlen in die DDR ein, um zu informieren und aufzuklären. Andersherum lässt das SED-Regime über die Grenzen senden. Die inhaltliche Propaganda versucht man mit flotter Musik attraktiv zu machen. Autor: Hartmut E. Lange

Stand: 15.11.2023 | Archiv

15 November

Mittwoch, 15. November 2023

Autor(in): Hartmut E. Lange

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Susi Weichselbaumer

An einem Samstag in einer NVA-Kaserne. Nur wenige Wehrpflichtige haben Ausgang bekommen, der Sozialismus muss auch am Wochenende verteidigt werden. Die Soldaten langweilen sich, einziger Trost in der feldgrauen Tristesse: coole Musik. Aus einem Transistorradio ertönen die Beatles und versichern: "She loves you, yeah yeah yeah". Einige Jungs singen mit und träumen von ihrem Mädchen zuhause. Plötzlich fliegt die Tür auf, der diensthabende Offizier steht im Raum. "Ausmachen! Sofort ausmachen!"
Die Angebrüllten reagieren gelassen. "Das ist kein Westsender, Genosse Hauptmann. Das ist der Deutsche Soldatensender 935, der steht doch bei uns."
Die Soldaten haben recht. "Dann machen Sie das Ding wenigstens leiser", knurrt der Offizier missmutig und rauscht wieder ab.

Popmusik und Propaganda

Der Soldatensender 935 gibt vor, von Widerstandsgruppen in der BRD betrieben zu werden, Zielgruppe ist die Bundeswehr. Mit aktuellen Hits der westlichen Popmusik ködert er die Hörer in Uniform und versucht mit propagandistischen Wortbeiträgen die Nato-Soldaten zu beeinflussen. Kurze Zeit nach Sendestart im Oktober 1960 wird sein Standort enttarnt. Dass der riesige Sendemast in Burg bei Magdeburg steht und das Programm aus der DDR kommt, ist ein offenes Geheimnis. 

Wir befinden uns Mitte der 60er Jahre, es herrscht kalter Krieg - der wird auch im Äther ausgefochten. Die Westseite setzt auf unzensierte Information, gesendet vom Deutschlandfunk in Köln, und von SFB und RIAS in West-Berlin.
Die DDR setzt auf Propaganda. Ihr Deutschlandsender peilt die Hörer in der Bundesrepublik an, und die Berliner Welle die im Westteil der Stadt.
Die Redaktionen befinden sich im Funkhaus Nalepastraße in Ost-Berlin, sie unterstehen dem Staatlichen Komitee für Rundfunk. Die wirklichen Chefs sitzen aber im ZK der SED, in der Abteilung Agitation. Von dort werden Inhalte und Tenor der Wortbeiträge vorgegeben.

Der Deutschlandsender wird 1948 installiert, um die nationale Einheitspolitik der SED zu unterstützen. Das Ziel: die deutsche Einheit - unter sozialistischem Vorzeichen. Man hofft die westdeutsche Bevölkerung via Radio dafür gewinnen zu können. 

Abkehr von der deutschen Einheit

Mit der Machtübernahme Erich Honeckers im Mai 1971 erfolgt die Abkehr von dieser politischen Linie, die Wiedervereinigung ist kein Thema mehr. Der Deutschlandsender als offizielles DDR-Programm für Westdeutschland wird eingestellt. Die Redakteure sind dadurch nicht arbeitslos, unter neuem Namen führen sie ihren propagandistischen Auftrag fort. Am 15. November 1971 geht die "Stimme der DDR" auf Sendung.
Beiträge über die Bundesrepublik kommen im neuen Sender nur noch selten vor. Im Fokus stehen Berichterstattungen über die DDR, die UdSSR und die anderen Ostblockstaaten. Zentrale, immer wiederkehrende Themen sind die Abgrenzung zur BRD, und die Forderung nach Anerkennung der DDR als souveräner Staat.

"Wie oft hören Sie Ost-Sender?" haben Meinungsforscher im Laufe der Jahre die Bundesbürger gefragt. Nicht nur die ermittelte Quote mag ernüchternd gewesen sein für die Macher der "Stimme der DDR".
Nur 3 - 5 % der Befragten antworten: "Gelegentlich. Wegen der guten Musik."


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