Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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2. April 1595 India Leaks: Seeweg nach Indien ausspioniert

Lange hatte Portugal ein Monopol inne, was den Handel mit Indien anlangte. Schließlich hatte der Portugiese Vasco da Gama den Seeweg nach Indien entdeckt. Dieser war ein wohlgehütetes Geheimnis, bis der niederländische Kaufmann, Autor, Entdecker und Spion Jan Huygen van Linschoten nach Lissabon kam. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 02.04.2024 | Archiv

02 April

Dienstag, 02. April 2024

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Christian Baumann

Redaktion: Frank Halbach

Wahnsinn! Er hat es wirklich geschafft! Vasco da Gama, der Erzentdecker, der große Navegador, der ganze Stolz Portugals, hat tatsächlich als erster Abendländer den Seeweg nach Indien gefunden. Was für ein Abenteuer! Was für Wagnisse! Der Teufelskerl ist um Afrika gesegelt, hat das Kap der Guten Hoffnung bezwungen, die Schrecken des indischen Ozeans gemeistert, hat dann auch noch seine Karavellen in Calicut randvoll mit Ingwer, Nelken, Pfeffer, Zimt beladen und wieder heim nach Lissabon gebracht!

Ein wohlgehütetes Geheimnis

O ja! Der kleine David hat es allen gezeigt. Das winzige, von Spanien ins Meer gedrängte Portugal hat sich den Schlüssel zu den Schatzkammern Indiens geholt. Ganz allein und nur für sich! Nur Portugal kennt die Route, nur Portugal weiß, wohin es künftig seine Schiffe schicken muss, um sich die Holzbäuche mit den Köstlichkeiten Asiens vollzuschlagen. Dieses Wissen ist Gold wert. Es sichert Portugals Aufstieg zur führenden Handelsmacht des 16. Jahrhunderts und wird darum wie ein Staatsgeheimnis gehütet.

Das funktioniert lange recht gut. So lang jedenfalls, bis sich Jan Huygen van Linschoten einmischt. Den jungen Holländer aus Haarlem zieht es früh hinaus in die Welt. Mit knapp 17 Jahren macht er sich auf nach Lissabon, wo er Kaufmann werden und sein Fernweh stillen möchte. Als er in die Dienste João da Fonsecas tritt, klappt beides auf Anhieb. Fonseca wird 1581 zum neuen Erzbischof von Goa bestellt und nimmt Linschoten mit nach Portugiesisch-Indien. Dort hat er als Privatsekretär Seiner Exzellenz bald schon ungehinderten Zugriff auf geheime Karten und Dokumente.
Ob Linschoten diese Quellen aus reiner Neugier oder von Anfang an gewinnbedacht ausspioniert, weiß niemand.
Klar ist nur, dass er eifrig Seerouten, Küstenverläufe, Logbücher und Expeditionsberichte kopiert und sich obendrein in den Docks oder im Hafen herumtreibt, wo er leicht und unverfänglich plaudernd Seeleute, Händler und Soldaten aushorcht.

Das Buch des Spions

Sechs Jahre saugt sich Linschoten wie ein Schwamm mit streng vertraulichen Handels- und Militärgeheimnissen voll. Dann kehrt er nach Amsterdam zurück und schreibt ein Buch, das Portugals Wissensmonopol pulverisiert. Sein "Itinerario oder Reisebericht über die portugiesische Schifffahrt nach Ostindien" enthält nicht nur Karten und Angaben über Entfernungen, Untiefen, Strömungen, Winde, sichere Ankerplätze, Häfen oder Wasservorkommen. Er verzeichnet auch Handelsniederlassungen und militärische Einrichtungen, nennt Preise und Einkaufsquelle und breitet alles in allem freigiebig aus, was hundert Jahre lang Portugals Vormacht schützte.

Doch noch bevor das Buch erscheint, schanzt Linschoten seinen Landsleuten einen Wissensvorsprung zu. Gestützt auf die von ihm ausgespähten Indien-Leaks rüsten holländische Kaufherren vier Schiffe aus, die am 2. April 1595 nach Asien aufbrechen. Die Reise ist ein Erfolg. Binnen weniger Jahre reißen die Niederlande den Gewürzhandel an sich und steigen zur größten Wirtschaftsmacht des 17. Jahrhunderts auf. Tja, wie man an diesem Beispiel sieht, gedeiht auch unrecht Gut bisweilen bestens.


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