Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. April 1927 "Schneepalast" in Berlin eröffnet

Skifahren in Berlin? Ostern 1927 öffnete mit dem "Schneepalast" am Kaiserdamm die weltweit erste Indoor-Skihalle. Als Teil der Freizeitmesse "Das Wochenende" ermöglichte die Halle den Berlinerinnen und Berlinern einen Wintertraum aus Kunstschnee mit zwei Schanzen, einer Rodelbahn und 3000 qm Freifläche. Autorin: Ulrike Rückert

Stand: 16.04.2024 | Archiv

16 April

Dienstag, 16. April 2024

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Die "Idee des Wochenendes" wollte Berlin seinen Bürgern im Jahre 1927 nahebringen. Für die Deutschen war das Konzept noch ziemlich neu. Der Samstag war ein Arbeitstag, doch immer mehr Arbeitnehmer hatten jetzt mittags schon Feierabend. Nun sollten die Berliner aber nicht einfach auf dem Sofa abhängen und womöglich auf dumme Gedanken kommen. Also zeigte ihnen die Stadt mit einer großen Ausstellung, wie das Wochenende sinnvoll zu gestalten sei.

Skifahren in Berlin

Märkische Dörfer und Ostseebäder lockten zum Wochenendausflug. Alles erdenkliche Freizeitzubehör war zu besichtigen, von Faltboot und Campingzelt bis zu Wochenendhaus und Flugzeug. Es gab Sportveranstaltungen und ein Kulturprogramm. Aber das Highlight war der Schneepalast.

Skifahren, wenn der Flieder blüht! Oder überhaupt Skifahren in Berlin. Über dreißig Ski- und Rodelklubs gab es in der Stadt, bei einem eklatanten Mangel an Abfahrten. Abhilfe entstand in einer Messehalle, mit einem Berg aus Balken, Brettern und Kokosmatten. Darauf verteilt waren zweihundert Tonnen Kunstschnee, eine ganz neue Erfindung des Briten Laurence Clarke Ayscough. Abgesehen von einer Minipiste in der Sportabteilung des Kaufhauses Harrods in London, kam sie in Berlin erstmals zum Einsatz.

Die Presse war begeistert: "Skier und Schlitten fliegen auf ihm dahin wie auf der Skiförde im Winterwald, und bei den Schwüngen spritzt er auf und glitzert im Licht, genau wie es der richtige Schnee tut." Andere sorgten sich, ob womöglich geheimnisvolle Chemikalien im Kunstschnee der Gesundheit schädlich seien. Aber der Wunderschnee war aus Soda, Sägemehl und Wasser gemixt.

Auf dem Brettergestell war eine einhundertdreißig Meter lange Abfahrt angelegt, dazu gab es zwei Rodelbahnen und eine Sprungschanze. Bei der Eröffnung am 16. April - das war der Ostersamstag - waren Nationalmeister des Skisports aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anwesend. An den folgenden Feiertagen wurde abends eine Show mit achtzig "Ski-Girls" geboten. Tagsüber spielte Blasmusik.

Betrüblicher Schnee

Die Ausstellung dauerte zwei Monate. Im Schneepalast gab es Skikurse, Schneeballett und Vorführungen von Profis. Bevor er dann wieder abgebaut wurde, hatte ihn Dagfinn Carlsen besichtigt, ein prominenter norwegischer Skispringer, der in Wien ein Sportgeschäft betrieb. Im November eröffnete er in einem stillgelegten Wiener Bahnhof ein Etablissement, das dem Berliner Schneepalast sehr ähnlich sah. 

Anfangs war der Andrang so groß, dass einige Male die Polizei einschritt und die Halle wegen Überfüllung sperrte. Aber der Winter kam, es gab echten Schnee in Fülle, und der Wienerwald war auch nur eine kurze Bahnfahrt entfernt. Dann begann auch noch die Presse, den Sodaschnee zu bemäkeln: "Sein Aussehen betrübt uns." Er sei doch eher gelb, "mit einem Stich ins graue". Und außerdem jucke er bei Stürzen ganz beträchtlich auf der Haut. Im März meldete Carlsen Konkurs an.

In den Dreißigerjahren wurden etliche große Indoor-Wintersportanlagen in Europa und Amerika gebaut, aber keine überlebte lange. Die Zeit für Kunstschnee war noch nicht gekommen.


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