Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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21. Juni 1931 Schienenzeppelin fährt Weltrekord

Franz Kruckenberg konstruierte 1929 einen Eisenbahntriebwagen, den er "Flugbahn-Wagen" nannte. Angetrieben wurde er von einem Flugzeugpropeller am Heck. Weltberühmt wurde das Gefährt als "Schienenzeppelin", das 1931 mit 230 km/h einen Geschwindigkeitsrekord aufstellte, der ein Vierteljahrhundert Bestand hatte. Autor: Manuel Rauch

Stand: 21.06.2022 | Archiv

21 Juni

Dienstag, 21. Juni 2022

Autor(in): Manuel Rauch

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Um 3 Uhr 27 ertönt an diesem Junimorgen in Hamburg-Bergedorf das Signal. Ein Gefährt wie aus einem Science-Fiction-Film setzt sich in Bewegung. Ein Zeppelin auf Schienen: Knapp 26 Meter lang, windschnittige Form - und hinten dran: ein riesiger Propeller.

Ein Welt-Ereignis

Die Fahrt nach Berlin soll ein Welt-Ereignis werden - am 21. Juni 1931. Schaulustige und Journalisten stehen entlang der Bahnstrecke, um live dabei zu sein, wenn der Schienenzeppelin in geradezu irrsinniger Geschwindigkeit an ihnen vorbeirast. In einer Radioübertragung ist nach den aufgeregten Worten des Reporters für ein paar Sekunden Propellergeräusch zu hören. Dann ist der Schienenzeppelin auch schon wieder verschwunden.
Um fünf Uhr fünf erreicht er schließlich sein Ziel: den Lehrter Bahnhof in Berlin. 257 Kilometer in nur 98 Minuten. Die Spitzengeschwindigkeit, die er unterwegs erreicht hat, stellt alles bisher Dagewesene in den Schatten: 230 Kilometer in der Stunde. Weltrekord!
Und das keine hundert Jahre, nachdem die erste Eisenbahn Deutschlands zwischen Nürnberg und Fürth für Furore sorgte. Mit damals aufregenden 35 Stundenkilometern. Anfang des 20. Jahrhunderts brachten es erste Schnelltriebwagen zwar bereits auf knapp mehr als 200 Stundenkilometer. Zum regulären Einsatz kamen sie aber nie.
Schließlich macht sich der Ingenieur Franz Kruckenberg ans Werk. Er will ein Fahrzeug bauen, das schneller ist als alles, was bisher auf Schienen fährt. Kruckenberg lässt sich von der Luftfahrt inspirieren. Vor allem die damals populären Zeppeline begeistern ihn - mit ihren riesigen Aluminium-Skeletten.

So ein Gerippe verwendet nun auch Kruckenberg für seinen Schienenzeppelin. Überspannt mit einem Segeltuch - sozusagen als Außenhaut - erreicht der Triebwagen eine Leermasse von nicht mal 20 Tonnen. Angetrieben wird das Gefährt von einem Dieselmotor und einem großen Holz-Propeller am Heck.
Schon 1930 fährt der Schienenzeppelin zum ersten Mal zwischen Hannover und Celle. Ein gutes Jahr später dann die Rekordfahrt. Sensationell!
Doch die Begeisterung hält nicht lange. Schnell ist klar: Um viele Passagiere zu befördern, ist der Schienenzeppelin ungeeignet. Wegen des Propellers können keine weiteren Waggons angehängt werden. Und auch das Wenden des Triebwagens ist umständlich. Schließlich kann er nicht rückwärtsfahren.

Unerreicht

Mehrmals wird der Schienenzeppelin in den kommenden Jahren noch umgebaut. 1934 geht er für 10.000 Reichsmark in den Besitz der Deutschen Reichsbahn über. Die findet aber keine Verwendung mehr für ihn und stellt ihn in einer Werkshalle in Berlin-Tempelhof ab, wo er über die Jahre verrottet. Wegen Platzmangels wird der so glorreich gestartete Schienenzeppelin schließlich im Jahr 1939 verschrottet.
24 Jahre lang bleibt die Spitzengeschwindigkeit des Schienenzeppelins - 230 Stundenkilometer - unerreicht. Erst Mitte der 1950er-Jahre knackt eine französische Elektrolok den Rekord - mit gut 330 Stundenkilometern. Auch wenn ihn kaum noch jemand kennt: Der Schienenzeppelin mit seinem strömungsgünstigen Profil hat bis heute Einfluss auf den Bau von Schnelltriebwagen. Riesige Propeller aber hat man an Zügen seither nie wieder gesehen.


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