Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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8. Januar 1964 Randy Gardner geht endlich schlafen

Was als jungenhafter Unsinn begann, entwickelt sich zum Medienereignis unter wissenschaftlicher Aufsicht: Der 17-jährige Randy Gardner, Schüler aus Kalifornien, bleibt über 264 Stunden am Stück wach. Rekord! Autorin: Prisca Straub

Stand: 08.01.2024 | Archiv

08 Januar

Montag, 08. Januar 2024

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Zu seiner Pressekonferenz am 8. Januar 1964 um fünf Uhr früh präsentiert sich Randy Gardner in bester Laune. Soeben hat der 17-Jährige den Weltrekord im Wachbleiben geknackt. Niemand hätte gedacht, dass ein Mensch so lange auf Schlaf verzichten kann, ohne durchzudrehen, über elf Tage. "Alles nur eine Frage der Willensstärke", triumphiert Randy. - Dann geht er schlafen.

Schlafentzug: Weltrekord im Wachbleiben

Allerdings - bei seinem Selbstversuch hatte der Jugendliche aus San Diego durchaus Unterstützung gehabt: zwei Schulfreunde, die über die Weihnachtsferien auch nichts Besseres zu tun hatten. Den bisherigen Weltrekord im Wachbleiben, so hatten sie erfahren, hielt mit 260 Stunden offenbar irgendein DJ auf Hawaii - und wer weiß, was der sich eingepfiffen hatte... Randy würde nicht mal Kaffee anrühren! Nur seine beiden Kumpels sollten rund um die Uhr aufpassen, dass er nicht wegnickte.

Das wurde aufwendiger als zunächst gedacht. Die ersten drei Nächte waren ja noch ganz ok gewesen: Die beiden Freunde hatten sich abgewechselt, waren mit Randy im Auto herumgekurvt, hatten Musik gehört und Flipper gespielt. Dann wurde Randys Laune langsam unerträglich, besonders in den frühen Morgenstunden war er eine Pest. Die Jungs hatten bald genug davon, sich von ihrem müden Freund anschnauzen zu lassen. Doch dann tauchte William Dement auf. - Der Schlafforscher der Stanford University hatte von Randys Selbstversuch in der Zeitung gelesen. An Tag sechs gelang es ihm, auf das Experiment aufzuspringen. Was für eine Gelegenheit! So brauchte der Mediziner "nicht mal Forschungsgelder zu beantragen", erinnerte er sich später.

Randy muss jetzt regemäßig Tests absolvieren, Matheaufgaben lösen. Seine Hinströme werden aufgezeichnet - sein Gedächtnis und seine Konzentrationsfähigkeit alle paar Stunden überprüft. Wenn der Umgang mit dem gereizten Jugendlichen auch für den Mediziner zu anstrengend wird, geht Dement mit ihm auf den Basketballplatz, wo der schlaflose Randy ihn jedes Mal mühelos besiegt.

Schlaflos in den Schlagzeilen

Inzwischen beherrscht Randy auch die nationalen Schlagzeilen - neben dem Attentat auf John F. Kennedy wenige Wochen zuvor und der bevorstehenden US-Tournee der Beatles. Die Headlines verschwimmen ihm schon vor den Augen, aber Aufgeben kommt nicht mehr in Frage.

Nach 264 Stunden und 24 Minuten ist Randy am Ziel. Rekord gebrochen. Pressekonferenz! Er verhaspelt sich kein einziges Mal. - Wie lange er jetzt schlafen wird? Schwer zu sagen, gibt Schlafmediziner Dement zu Protokoll. Immerhin hat sein Proband rund 80 Stunden Schlaf verloren.

Und dann die Überraschung: Randy erwacht knapp 15 Stunden später. Ausgeruht. Am Tag darauf geht er zur Schule. Er hat die Quälerei überraschend gut weggesteckt. Schlafforscher Dement veröffentlicht nun seine Ergebnisse - und wird ein gefeierter Forscher-Promi. Die Reporterteams vor Randys Haustür dagegen verschwinden umgehend. Wenn er doch wenigstens im Halbschlaf einen Autounfall fabriziert hätte, beklagt er sich später enttäuscht! Aber nichts, "nothing, nada!" Für Randy interessiert sich keiner mehr.


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