Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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1. November 1512 Michelangelos Deckenfresken in Sixtinischer Kapelle enthüllt

Manche Jobs bekommt man aufgedrückt und weiß: Das wird ein Ritt. So geht es dem renommierten Bildhauer Michelangelo, als er angeheuert wird für die Deckenfresken in der Sixtinischen Kapelle. Aber: Der Künstler macht es sich auch nicht leicht, denn kein Mitarbeitender ist ihm gut genug. Autor: Florian Ehrich

Stand: 01.11.2023 | Archiv

01 November

Mittwoch, 01. November 2023

Autor(in): Florian Ehrich

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Susi Weichselbaumer

"Der Bart starrt himmelwärts, und das Genick
Fühl ich am Buckel und die Brust wie bei
Harpy’n. Mein Pinsel tropft, die Kleckserei
Macht mir aus dem Gesicht ein Mosaik."

Michelangelos lyrische Klage an einen Freund zeigt vor allem eins: Von Arbeitsschutz und Ergonomie hatte man im Fresko-Business des 16. Jahrhunderts keinen Schimmer. Als der Bildhauer, von Papst Julius II. den Auftrag für die Deckenausmalung der sixtinischen Kapelle erhält, weiß er was ihm blüht. Er soll in zwanzig Metern Höhe das 550 Quadratmeter große Gewölbe in der schwierigen Freskotechnik ausmalen. Eine Ungeheuerlichkeit!

Was ein Job!

Ascanio Condivi berichtet in seiner zu Lebzeiten erschienenen Biografie des Meisters sogar von einer Intrige: Der Architekt Bramante habe den Papst überzeugt, Michelangelo malen zu lassen, weil er und andere Neider ihn scheitern sehen wollen. Das ist Legende, doch Michelangelo wehrt sich -letztlich vergeblich - gegen das herkulische Vorhaben, das ihn Kraft und Gesundheit kosten wird.

Kann nicht wer anders?!?!

Das Projekt beginnt mit Fehlschlägen. Zunächst muss ein Malgerüst her. Bramante übernimmt das. Er sichert es mit Seilen, die durch Löcher in die Wölbung gezogen werden. Fassungslos fragt Michelangelo, was denn mit den Löchern beim Abbau geschehen solle und lässt ein neues Gerüst bauen. Dann verschimmeln die ersten Malversuche. Michelangelo, der führende Bildhauer seiner Zeit, ist noch kein Spezialist in der Freskotechnik.

Bei der wird die Farbe auf den noch feuchten Putz aufgetragen. Nach einem Jahr Arbeit auf dem Gerüst schreibt er erschöpft an seinen Bruder: "Ich lebe hier in großer Kümmernis und unter härtester körperlicher Anstrengung und habe keine Freunde und will auch keine haben; und ich habe nicht einmal so viel Zeit, dass ich das Nötige essen kann."

Einmal bittet Michelangelo um Urlaub, da schimpft der jähzornige Papst und schlägt wütend auf ihn ein. Julius II. schickt schließlich Geld zur Besänftigung; und ein Bote versichert Michelangelo, solche Hiebe seien päpstliche Liebesbekundungen. Aber: Der Künstler, als stur und eigenwillig bekannt, macht es sich auch nicht leicht. Ein paar Gesellen, die er aus Florenz kommen lässt, schickt er bald wieder zurück. Weil unbrauchbar. Den Löwenanteil des Riesenwerks, an dem er etwa viereinhalb Jahre arbeitet, malt er tatsächlich selbst.

Enthüllt werden die Fresken am 1. November 1512, wie der Kunsthistoriker Vasari berichtet: "Als sein Werk aufgedeckt wurde, strömte alle Welt herbei, um es in Augenschein zu nehmen, und alle erstaunten und verstummten." Unter Qualen hatte der "Göttliche Michelangelo", wie ihn Vasari in seiner Biografie nennt, ein Wunder der Malerei geschaffen. Immerhin… Ruhm hat die Schufterei gebracht - allerdings auch einen gigantischen päpstlichen Folgeauftrag: Zwanzig Jahre später musste Michelangelo nochmal ran in der Sixtinischen Kapelle für das Jüngste Gericht.


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