Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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10. Mai 1740 Markgräfin Wilhelmine schreibt Oper für den Markgrafen

Wilhelmine, die Markgräfin von Bayreuth und Schwester Friedrichs des Großen, war politisch begabt. Da die Männer sie nicht um ihre Meinung in diesem Bereich fragten, verlegte sich Wilhelmine erfolgreich auf Architektur, Kunst und Musik. Zum Geburtstag des Gatten komponierte sie mal eben eine Oper. Autorin: Brigitte Kohn

Stand: 10.05.2022 | Archiv

10 Mai

Dienstag, 10. Mai 2022

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Gleich zwei Räume der Schlösser von Bayreuth sind mit Spiegelscherben verziert. Die Markgräfin Wilhelmine wollte es so, und sie soll die Spiegel, die dafür verwendet wurden, sogar eigenhändig zertrümmert haben. Normalerweise sind die Spiegel in den zahlreichen hochherrschaftlichen Spiegelkabinetten des 18. Jahrhunderts heil und makellos. Wilhelmine aber zog die Aura des Ruinösen, des unheilbar Brüchigen vor.

Schön kaputt

Der vielseitige Gestaltungswille der hochbegabten Markgräfin weist grundsätzlich einen Hang zum Tragischen, zur Grenzüberschreitung auf. Als Tochter des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. von Preußen litt die junge Prinzessin unter dem despotischen Wesen ihres Vaters, genauso wie ihr Bruder, der spätere König Friedrich der Große. Beide versuchten zu entkommen, der Fluchtversuch scheiterte. Der Vater setzte die Geschwister in Haft und drohte mit Hinrichtung. Beide kamen mit dem Leben davon, aber von Wilhelmine wurde verlangt, sich den Heiratsplänen des Vaters zu beugen. Und die liefen auf den Status einer Markgräfin in der fränkischen Provinz hinaus. Ihre politische Begabung konnte dort kaum zum Zuge kommen - also verlegte sie sich auf die Kunst und ließ Bayreuth kulturell erblühen.

Wenn schon Provinz, dann prachtvoll

Markgraf Friedrich erwies sich als verträglich und liebenswert. Er beauftragte seine Frau sogar mit der Leitung des Bayreuther Hoftheaters, für das Wilhelmine auch Opernlibretti verfasste und komponierte. "Mit derartigen Dingen haben die Frauen sich bisher noch nicht befasst", schrieb Wilhelmine stolz an ihren Bruder. Das stimmt, die Oper war eine Männerdomäne.

Trotzdem wagte sich die 31jährige Markgräfin gleich an ein Gesamtkunstwerk: Stoffauswahl, Textvorlage und Musik der Oper "Argenore" stammen von ihr. Die Uraufführung sollte am 10. Mai 1740, dem Geburtstag des Markgrafen, stattfinden.

Heiter ist die Handlung trotzdem nicht, ganz im Gegenteil. Argenore, König von Ponto, ist ein Despot und Katastrophenmagnet, wofür vor allem die von Rivalitäten und inzestuösen Verstrickungen geprägten Liebesbeziehungen seiner Kinder und Feldherrn sorgen. Schon im ersten Akt entfaltet sich ein dichtes Netz von Intrigen, und zum Schluss sind alle Beteiligten tot. Nach dem Selbstmord Argenores liegt das gesamte Königreich in Scherben.

Im Vergleich dazu erscheint die Bayreuther Residenz geradezu als Idyll. Vielleicht war es das, was Wilhelmine ihrem Gatten schmeichelhaft vor Augen führen wollte. Fraglich ist allerdings, ob der Markgraf die Oper jemals gesehen hat. Im Mai 1740 erkrankte und starb Wilhelmines Vater, der preußische König, Feste wären unstatthaft gewesen. Und so fand die erste sicher verbürgte Aufführung erst im Jahre 1993 in Erlangen statt, weitere Inszenierungen folgten.

Wilhelmine interessiert die Forschung längst nicht mehr nur als Tochter und Schwester preußischer Könige, sondern als künstlerisch begabte, eigenständige Persönlichkeit mit einer schwierigen Biografie, deren tragische Momente sich nach Ansicht vieler Interpreten auch in der Handlung ihrer Oper spiegeln.


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