Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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30. Dezember 1948 "Kiss me Kate" feiert Premiere

Über tausendmal lief es am Broadway: "Kiss me Kate". Im Musical führt eine Theatertruppe Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" auf. Es wurde das bekannteste und erfolgreichste Musical von Cole Porter. 1949 gewann das "Feuerwerk von Musik und Sprache" den ersten Tony Award für das beste Musical überhaupt. Autorin: Justina Schreiber

Stand: 30.12.2021 | Archiv

30 Dezember

Donnerstag, 30. Dezember 2021

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Kiss me, Kate! Ha! Als könnte "man" sich irgendeine Liebesbezeugung einfach so holen, Finger schnippen! und dann tanzt die Puppe an. Noch bescheuerter klingt es übrigens auf Deutsch: Küss mich, Kätchen! Was, wenn sie jetzt "Nein" sagt und es auch so meint?! Dann wäre diese Boy-meets-girl-Geschichte vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hat. Für die Unterhaltungsindustrie ist das eher keine Option. Da muss sich doch noch etwas machen lassen! Wer wird denn gleich aufgeben! Vielmehr gilt es, weiblichen Widerstand, - in sprachunsensiblen Kreisen auch Zickenalarm genannt, - als dramaturgisches Mittel zu benutzen, um sogenannte Lovestorys auf abendfüllende Länge zu strecken.

Bärtige Komödie

Will sie nun oder will sie nicht? Na, komm schon: "Kiss me, Kate". Allein der Titel des Musicals, das am 30. Dezember 1948 in New York am Broadway Premiere hatte, klingt aus Frauensicht nicht gerade vielversprechend. Von dem Plot, der als Vorlage diente, gar nicht zu reden. Anders als andere Shakespeare-Stücke trägt die Komödie "Der Widerspenstigen Zähmung“ nämlich einen alten, weißen Männerbart – auch wenn es zu Zeiten des Dramatikers, also vor rund 400 Jahren, superfortschrittlich gewesen sein mag, dass Petruchio nicht zur Rute greift, um sich "seine" Katharina zurecht zu biegen. Ihm reichen verbale Mikro-Aggressionen, um die Frau ganz irre, sprich: gefügig zu machen. Kiss me, Kate! Geht´s noch schlimmer?! Die höchst emanzipierte und renommierte Autorin Bella Spewack soll die Augenbrauen hochgezogen haben, als man sie und ihren Ehemann und Co-Autor Sam bat, aus dem Stoff ein Musicallibretto zu machen. Ha! Als Tochter einer alleinerziehenden Mutter mit Migrationshintergrund in Manhattan aufgewachsen, hatte Bella, geborene Cohen, schon früh gelernt, sich auf der Straße und in Männerwelten zu behaupten. Auf Augenhöhe mit Sam.

Männer sind Schweine

Spewack schrieb die ehemalige Auslandskorrespondentin erfolgreiche Dreh- und Textbücher. Während er meist den Plot entwickelte, waren ihre Spezialität schnelle witzige Dialoge voller Ironie. So bekamen auch schwächere Stücke ordentlich Pep. Doch als die Anfrage zur "Zähmung der Widerspenstigen" kam, war das Paar angeblich gerade verkracht. Das Thema passte also wie die Faust aufs Auge. Aua! Bella Spewack sagte dann trotzdem zu, weil nämlich Cole Porter die Musik komponieren sollte. Zehn Jahre zuvor, 1938, hatten die Spewacks mit ihm schon einmal einen tollen Musical-Hit gelandet: "Leave it to Me". Auch "Kiss me, Kate" ließ die Kassen wieder klingeln. Die Rahmenhandlung, die das verkrachte Autoren-Duo dann entwickelte, war wohl recht nah an dessen eigenem Hin und Her. Denn einerseits hängt Lilli Vanessi, die Darstellerin der Kate, noch an ihrem Ex, dem Produzenten des besagten Shakespeare-Stücks, in dem er noch dazu ihren Widerpart Petruchio spielt. Andrerseits hat sie die Nase auch gestrichen voll. Mit Hilfe eines ziemlich drastischen Cole Porter-Songs macht sie sich Luft: I hate men, ich hasse Männer. They should be kept like piggies in a pen. Sie sollten wie Schweine in einem Stall gehalten werden. Was für ein Statement, 70 Jahre bevor die metoo-Kampagne auf all die übergriffigen Typen hinwies, die das Nein einer Frau nicht akzeptieren können.


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