Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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20. März 2010 Bach-Museum Leipzig wiedereröffnet

Einigen gilt Johann Sebastian Bach als Musikgott, andere sehen in ihm und seinen Kompositionen den Gottesbeweis. Komplex ist die Frage, ebenso seine Musik. Letztgültig klären lässt sich wahrscheinlich nicht alles an und über Bach, auch wenn das Leipziger Bach-Museums das - zumindest ein wenig - versucht. Autor: Johannes Roßteuscher

Stand: 20.03.2024 | Archiv

20 März

Mittwoch, 20. März 2024

Autor(in): Johannes Roßteuscher

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Heute sprechen wir über den Gottesbeweis. Nicht trivial. Erstaunlich viele haben sich schon daran versucht. Doch egal, ob sie den Beweisansatz apriorisch, antiposteriorisch, ontologisch oder gar pragmatisch geführt haben - wirklich überzeugt hat keiner.

Dabei ist es einfach, denn es gibt ja zwei: Erstens die Beatles. Das hat der berühmte Musikproduzent Rick Rubin festgestellt. Zweitens: Johann Sebastian Bach. Das sagt - unter anderem - der englische Schriftsteller und Humanist Philip Pullman. Beide bekanntlich weitgehend unfehlbar in ihrem Urteil.

Pop und Klassik

Also: Bach und die Beatles. Die einen bewiesen Gottes Existenz in schwarzen Stehkragen-Anzügen und Drei-Minuten-Hits am laufenden Band. Der andere bewies Gott in gepuderter Perücke und mit horrend komplizierten Fugen, voller verästelter Querverweise und nie belegter Zahlenmystik.

Allerdings - Gottesbeweis hin oder her: Nicht jeder mag Bach. Ist auch ein bisschen verständlich. Das Orgelgedonner. Das nervtötende Cembalo allenthalben, die verästelten… Egal, es ist wie es ist: Bach war Gottesbeweis, so wie die Schlacht von Ampfing die letzte Ritterschlacht war. Wer immer noch zweifelt, möge sich, sagen wir, seine Passionen anhören. Aber Warnung: erstmal totale Überforderung. Oder einfach einen Satz einer Cellosuite. Gefidel auf vier Seiten und das Herz schmilzt. Oder das Cembalosolo im Fünften Brandenburgischen Konzert, dessen Abgespacetheit nur durch Gott oder halluzinogene Drogen erklärbar ist, und bis heute von keinem Jazzpianisten übertroffen wurde.

Wer soll das verstehen?

Jedoch wie viele Genies plagte sich Bach lange mit dem lästigen Phänomen Verkanntheit herum. Sogar posthum. Bach starb und seine Musik wurde einfach nicht mehr gespielt. Konzerte? Denkmäler? Museen? Fehlanzeige! Als Beethoven starb, keine 18 Jahre später, stand das erste Denkmal vor dem Bonner Postamt. Als Ludwig II. von uns ging, gemeuchelt oder ertrunken, wer weiß es - zwei Monate später war Neuschwanstein schon ein Museum. Bach: nix! Geht man so mit einem Gottesbeweis um?

Erst in den 1820ern, da waren Bach und seine gepuderte Perücke mehr als 70 Jahre unter der Erde, begann der junge Felix Mendelssohn Bartholdy, vergilbte Noten hervorzukramen, die Musik wieder aufzuführen und eine Tradition zu begründen, die heute Bachchöre in aller Welt ernährt. Im 20. Jahrhundert wurden die ersten Bach-Museen eröffnet! Eines im Geburtsort Eisenach, eines am Sterbeort Leipzig. Das Leipziger, direkt gegenüber der Thomaskirche, wo Bach fast 30 Jahre lang Musikchef war, erst in den letzten Jahren der DDR. Natürlich musste es mehrmals umgebaut und erweitert werden - denn was wusste die atheistische DDR schon über Gott und seine Beweise? Und wahrhaftig: Seit der zweiten Neueröffnung am 20. März 2010 kann man im Museum am Thomaskirchhof sogar echte Reliquien bestaunen: Unter anderem zwei Splitter von einem Eichensarg - entweder von Bach selbst oder von seiner zweiten Frau Anna Amalia. Egal, Reliquien: Wenn das kein Beweis ist. In dem Fall für seine Gottähnlichkeit. Und wie sagt es Bach, der Gottgleiche, der Gottesbeweis selbst: “ich hab fleyßig sein müssen. Wer ebenso fleyßig ist, der wird es ebenso weit bringen können.” 


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