Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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22. August 1920 Die ersten Salzburger Festspiele beginnen mit „Jedermann“

"Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes". Seit 1920 wird das Stück alljährlich bei den von Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal ins Leben gerufenen Salzburger Festspielen aufgeführt. Vor dem Salzburger Dom hat es laut Hofmannsthal seinen "selbstverständlichen Platz" gefunden. Autorin: Carola Zinner

Stand: 22.08.2023 | Archiv

22 August

Dienstag, 22. August 2023

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

"Ach ja, Bayreuth ... die Festspiele", seufzten die Bewohner der kleinen, heruntergekommenen Stadt an der Salzach. "SO was wenn man hätte!" Es lief nicht gut in Salzburg, seit mit dem Ende der Donaumonarchie der spendierfreudige Adel in der Versenkung verschwunden war, der die alten Palais und Schlösser am Leben gehalten hatte. Salzburg, dieser steingewordene Traum des Barock, war nach dem 1. Weltkrieg nichts mehr als die verfallende Erinnerung an eine große Vergangenheit.

Reinhardts Rückkehr

Doch Rettung war in Sicht, und sie kam ausgerechnet aus Berlin, wo alles so anders war als im ehemaligen Habsburgerreich, wo es immer flott herging und hopplahopp, mit U- Bahn und elektrischer Straßenbeleuchtung, und wo sich alles tummelte, was in der Kulturszene Rang und Namen besaß. Allen voran Max Reinhardt, sanfter Herrscher über ein Imperium von Bühnen, Schöpfer opulenter Inszenierungen, mit denen er das deutschsprachige Theater revolutioniert hatte. Doch das war für Berliner Verhältnisse lange her; jetzt war ein neuer, reduzierter Bühnenstil modern, und so wandte sich der gebürtige Österreicher dorthin, wo man es nie knapp und kühl halten würde: nach Österreich. Reinhardt, der in seinen Anfängen im Landestheater von Salzburg aufgetreten war, kaufte sich 1918 am Rande der Stadt ein Schloss und baute es um zu einer Art Rundum-Bühne für seine privaten Auftritte.
Und schon ging es ans nächste Projekt: die Festspiele. Was ihm dabei vorschwebte, war deutlich anders als die Mozartfeste, mit denen man es hier analog zu Bayreuth immer mal wieder probiert hatte: er wolle, so heißt es im Konzept, das er gemeinsam mit dem Dichter Hugo von Hofmannsthal verfasste, Festspiele des (kleiner Seitenhieb nach Bayreuth) "bayrisch-österreichischen Stammes" für (zweiter Seitenhieb) alle Teile der Bevölkerung, mit Spielstätten in der ganzen Stadt.

Bescheidener Anfang für Jedermann

Der Anfang war dann allerdings doch etwas bescheidener, bestanden doch die ersten Salzburger Festspiele eigentlich nur aus einem einzigen Stück: dem "Jedermann", Hofmannsthals altertümelndem Knittelvers-Spiel vom Prassen, Sterben und Schnell-Noch-Bereuen des reichen Mannes, das Reinhardt 1911 in Berlin uraufgeführt hatte. Nicht eben ein Highlight und jetzt eigentlich auch nur ein Lückenbüßer, weil von Hofmannsthal mit dem ursprünglich vorgesehenen neuen Werk nicht rechtzeitig fertig geworden war. Zum Glück. Denn mit dem "Jedermann" lief alles plötzlich wie geschmiert: Die besten Schauspieler machten mit, der Erzbischof gab Domplatz, Dom und Glockengeläut für die Aufführung frei, und am Tag der Premiere, dem 22. August 1920, machte sogar der Salzburger Schnürlregen eine Pause und ließ die Fassaden, die Dächer, die Burg in der Abendsonne leuchten: die größte und schönste Bühne des großen Reinhardt. Und weil die Schauspieler allesamt auf Bezahlung verzichteten, wurde das Ganze am Ende sogar finanziell ein Erfolg. Einzig Alexander Moissi, der Darsteller des Jedermann, erbat sich als Gage eine Lederhose, die er auch bekam. Das musste man in Bayreuth erst mal nachmachen.


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