Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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20. September 1859 George B. Simpson erhält Patent auf Elektroherd

Mit der Erfindung des Elektroherdes begann 1859 eine Revolution der Kochkultur. Damit war aber eine Frage nicht geklärt: Wer gehört eigentlich hinter den Herd? Mutti? Oder ist Kochen nicht doch eher reine Männersache ... Es dauerte einige Jahrzehnte, um das zu klären. Zumindest in den Ansätzen. Autorin: Isabella Arcucci

Stand: 20.09.2023 | Archiv

20 September

Mittwoch, 20. September 2023

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Um Himmels Willen! Die Uhr hat schon zum Abendessen geschlagen und Mutti steht nicht am Herd, sondern eilt gerade erst zur Tür herein. Die Locken vom Frisör frisch eingedreht. Und gleich kommt Horst! Oma ist aufgebracht. Muss Vati Horst nun hungern, weil Mutti ihrer Eitelkeit frönt? Aber nein! Mutti hat doch vorgesorgt, mit dem "Schlemmertopf". Einfach die undefinierbare Masse aus der Konservenbüchse in den Kochtopf reinbatzen, kurz erhitzen und: Voilà!

Ein Elektroherd für Mutti

Der hier beschriebene Werbespot aus den 70er Jahren verdeutlicht den gesellschaftlichen und technischen Fortschritt unserer jüngsten Geschichte. Eine Frau, die emanzipiert neue Prioritäten im Alltag setzt, was ihr aber nur gelingt, weil sie neben einem hungrigen Horst auch noch einen Elektroherd zu Hause hat. Diesen verdanken wir alle dem Amerikaner George B. Simpson. Er hatte Mitte des 19. Jahrhunderts die geniale Idee, in eine Kochplatte einen Draht einzubauen, der unter Strom gesetzt Hitze erzeugte. Am 20. September 1859 erhielt Simpson das US-Patent auf seinen Elektroherd. Eine Alternative zu den ewig rußenden, gesundheitsschädlichen Kohleöfen, die in vielen Haushalten standen. Doch leider gab es noch kein flächendeckendes Stromnetz. Und selbst wer Strom hatte: Simpsons Kochplatte konnte nur kochend heiß oder gar nicht. Ein fein austariertes köcheln, simmern und garen war so nicht möglich. Profis kochten daher Mitte des 19. Jahrhunderts mit Gas. So wie Nicolas Bocuse in seinem Restaurant am Ufer der Saône. Und auch sein Urenkel Paul Bocuse, der legendäre Sternekoch, bevorzugte, wie so viele Küchengötter unserer Zeit, den Gas- statt des Elektroherdes. Obwohl Letzterer im 20. Jahrhundert immer mehr in Mode kam. Genau wie Muttis Schlemmergerichte aus der Dose.

Kochen - eine Frage der Männlichkeit

Wahre Gaumengenüsse dagegen wurden und werden, selbstverständlich, von Männern kreiert. Bis heutigen Tags sind Frauen in den Küchen der Spitzengastronomie unterrepräsentiert. Gourmetkunst verlangt schließlich mehr Können als Dosen öffnen und Elektroknöpfe drehen. Es braucht männliche Ratio und virile Tatkraft: von der exakten Analyse der Gewürze, über das Bestimmen der perfekten Gartemperatur und das geschickte Tranchieren mit scharfen Riesenmessern, bis hin zum fachkundigen Anbrüllen der Küchenhilfen. Frauen können das nicht. Sternekoch Paul Bocuse jedenfalls war sich sicher, dass Frauen, aufgrund ihrer Hormonschwankungen, fürs Kochen gänzlich ungeeignet wären. Da er selbst über Jahrzehnte mit drei Frauen gleichzeitig zusammenlebte wusste er, wovon er sprach, als er die Weisheit von sich gab: "Frauen gehören nicht in die Küche, sondern ins Bett." Pauls drei Herzensdamen konnten ihm da sicher nur zustimmen. Ein herrliches Leben! Kein Rühren im Schlemmertopf mehr. Stattdessen sich bis weit in den Nachmittag hinein hormonell schwankend in den Kissen räkeln und ab und zu Richtung Küche brüllen: "Paul, wo bleibt mein Pain au chocolat? Paul, meine Soupe aux truffes! Paul, mein Gratin dauphinois!" Und Paul? Der würzt und walzt derweil durch die Küche, wie nur ein männlicher Sternekoch es vermag. Ganz klar: Männer gehören an den Herd!


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