Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. September 1905 Frederick R. Simms erfindet Stoßstange

Stoßstangen für Automobile waren bis Ende der 1920er Jahre ein Zubehör, das extra bestellt werden musst. Und es gab auch erstmal nur welche für Vorne. Große Schutzwirkung hatten die Dinger eh nicht. Die Stoßfänger der Gegenwart sollen sogar Verletzungen bei Fußgängern oder Radfahrern minimieren können. Autorin: Silke Wolfrum

Stand: 26.09.2023 | Archiv

26 September

Dienstag, 26. September 2023

Autor(in): Silke Wolfrum

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Auto. Wie würde Ihre Stoßstange aussehen? Hätten Sie senkrecht aufragende blitzende Hauer wie der Pegaso Z 102 aus dem Jahr 1952? Oder eine dicke Lippe wie das Volvo Experimental Safety Car aus den 70er Jahren, nach dem Motto: Wer mir zu nahe kommt, kriegt eins aufs Maul? Oder trügen Sie eher eine Art elegant geschwungenen Doppel-Oberlippenbart wie das Model SJ von Duesenberg von 1935, angeblich eine der schönsten Stoßstangen der Automobilgeschichte. Schließlich kann auch Schönheit Sicherheit geben. Wie dem auch sei, Sie merken schon: Stoßstangen sind weit mehr als nur ein Stück Metall zum Schutz der Karosserie. Sie sind ein Statement, eine Ansage, ja vielleicht sogar ein Lebensmotto.

"Kasko-Puffer"

Ihr Ursprung liegt in Großbritannien. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es dort auf einmal so viele Autos, das ein Zusammenprall durchaus wahrscheinlich war. Außerdem fuhren diese "Kutschen ohne Deichsel" auch immer schneller. Als Erfinder der Stoßstange gilt Frederik Richard Simms, ein Automobilpionier. Am 26. September 1905 meldete er sein Patent an. Als Erster bot er seinen Kunden "safety buffer", zu Deutsch "Kasko-Puffer" an, die diese zunächst jedoch als Extra gegen einen Aufpreis und zur nachträglichen Montage erwerben mussten. Es waren gepolsterte Rundeisen aus Stahl, die direkt an der Karosserie befestig wurden und aussahen wie die Kieferzangen eines Insekts.

Simms gab also den Startschuss und die Geschichte der Stoßstange nahm ihren Lauf. Zunächst schlug sie aber ein paar Haken bzw. verhakte sich. Denn da die Stoßstangen je nach Auto-Typ auf unterschiedlicher Höhe montiert wurden, verkeilten sie sich bei einem Aufprall ineinander und der Schaden war eher größer als kleiner.
Andererseits waren verkeilte Autos auch ein herrliches Spektakel, das auch die Filmindustrie z.B für "Laurel und Hardy" auszuschlachten wusste. Dann aber wurde die Stoßstangenhöhe standardisiert.

Stoß-Schalen

In den 1970er Jahren sorgte eine Regelung in den USA für eine neue Wendung. Denn nun musste eine Stoßstange dafür sorgen, dass das Auto bei einem Aufprall mit 5km/h unbeschädigt blieb. Jetzt wurden die Stoßstangen immer dicker, um dann plötzlich ganz zu verschwinden. Denn mit dem Renault 5, auch "kleiner Freund" genannt, wurden sie in die Karosserie integriert und damit unsichtbar. Streng genommen waren es jetzt nicht mehr Stoßstangen, sondern Stoß-Schalen oder Stoß-Fänger aus Kunststoff. Die Schalen des französischen Renault 5 waren leicht reparier- oder austauschbar, Kratzer kratzen niemanden. Schließlich ist es in Frankreich Usus beim Einparken den Wagen davor und dahinter liebevoll etwas anzustupsen. Savoir vivre eben.

Aber Hélas! - damit ist es heute vorbei. Denn schon bald wurden die Stoß-Schalen lackiert, jeder Kratzer wurde zum Drama und eine Neulackierung kostet heute ungefähr so viel wie ein Face-Lifting. Zeigte die Stoßstange früher also klare Kante ist sie heute ein teures Sensibelchen. Und wir selbst etwa auch? Zeige mir deine Stoßstange und ich sage dir, wer du bist, möchten wir schließen, aber eigentlich nur, um irgendwie noch die Kurve zu kriegen.


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