Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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23. November 1833 Wardsches Gewächshäuschen führt zu Farn-Fieber in England

Mit seinem kleinen botanischen Kasten revolutioniert der Engländer Nathaniel Ward den Pflanzentransport. Das Mini-Gewächshaus für monatelange Seefahrten löst in der feinen viktorianischen Gesellschaft eine wilde Leidenschaft für exotische Farne aus. Reich wird Ward dadurch nicht. Autorin: Prisca Straub

Stand: 23.11.2023 | Archiv

23 November

Donnerstag, 23. November 2023

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Nathaniel Wards Herz schlägt höher: Seine fein gekräuselten, grünen Lieblinge, sie sind am Leben! - Diverse Kübel mit Farnpflanzen; nach einer monatelangen, strapaziösen Seereise von England - nach Sydney! Und jetzt - bestmögliche Nachrichten: Ihre Pflanzen, Herr Doktor, sind "stark gewachsen!" Ohne Gießen und ohne frische Luft. "Die Kästen, die Sie mir anvertraut haben" - ein voller Erfolg! Gezeichnet: Schiffskapitän Charles Mallard, Hobart Town, Tasmanien - am 23. November 1833.

Wie Pflanzen luftdicht im Glas gedeihen

Das Experiment ist also gelungen: Auf der anderen Seite der Welt recken die zarten englischen Schattenpflanzen ihre Wedel in den von Nathaniel Ward ersonnenen Mini-Gewächshäusern. Luftdicht abgeschlossen haben sie während der gesamten Seereise an Deck gestanden - gut geschützt vor Wind und Wetter und salziger Gischt. Neben Tageslicht sei keinerlei zusätzliche Pflege notwendig, hatte der Londoner Arzt versprochen. Selbst Gießen sei überflüssig! Und das war ausschlaggebend. Denn Süßwasser ist ein knappes Gut auf monatelangen Seereisen - und Matrosen haben keinen Sinn fürs Gärtnern, wenn sie sturmgepeitscht um's Kap Horn segeln. - In einem "Wardschen Kasten" jedoch kondensiert das von den Pflanzen verdunstende Wasser an den Glasscheiben und tropft zurück in die Erde: ein sich nahezu selbstversorgendes System also. - Acht Monate später kommt als Retourfracht dann eine tropische Farn-Kollektion in England an; auch sie komplett sich selbst überlassen. Nathaniel Ward nimmt die spektakulären Exoten in Empfang. Und wieder: ein sensationell guter Zustand.

Fein gezahnte Luxus-Wedel

Wenige Jahre später haben die Wardschen Kästen den Pflanzen-Transport aus Übersee revolutioniert. Zum ersten Mal können Stauden, Sträucher und Blütenpflanzen über extrem weite Strecken verschifft werden. Teepflanzen, Bananen, Orchideen, Gummibäume. Und - damit hatte Ward wohl kaum gerechnet: Farne! Seine botanische Privatleidenschaft, plötzlich befällt sie die gesamte viktorianische Gesellschaft: "Pteridomanie", diagnostiziert der erstaunte Doktor, "Farn-Fieber!" Besonders die Ladies erliegen dem neuen Kult um die fein gezahnten Luxus-Wedel. Schillernde Schattengewächse in Grün und Silber - schaurig-schön in lichtdurchfluteten Wintergärten - und in eigens gebauten, begehbaren Glaspalästen.

Die Farn-Verrücktheit macht auch vor der heimischen Flora nicht halt. Wer sich keine Exoten leisten kann, streift mit Spitzhacke im englischen Unterholz umher. Viel lassen die Farn-Jäger nicht übrig: Wenige Jahrzehnte später sind in manchen Regionen die Wedel fast ausgerottet.

Nathaniel Ward hat nichts vom großen Farn-Geschäft; vom Hype um Farn-Tapeten, Farn-Geschirr und -Möbelstoffe. Seine Erfindung hat ihm nur wenig Geld eingebracht. Er kümmert sich weiter um seine Patienten. Und - während seiner Rente - um Farne. Da hat sein Gartengewächshaus über 25.000 Exemplare.


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