Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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17. Mai 1935 Esperanto an deutschen Schulen verboten

Schon als Jugendlicher begann Lazarus Ludwik Zamenhof, Esperanto zu entwickeln, eine Kunstsprache, durch die sich weltweit alle Menschen verstehen lernen sollten. Am 17. Mai 1935 verboten die Nationalsozialisten diese "Völkerversöhnungsillusion" an deutschen Schulen.

Stand: 17.05.2011 | Archiv

17 Mai

Dienstag, 17. Mai 2011, 09:50 Uhr

Autorin: Isabella Arcucci

Sprecherin: Ilse Neubauer

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Am 17. Mai 1935 erging ein Erlass des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust, der da lautete:

"Die Pflege künstlich geschaffener Welthilfssprachen wie der Esperantosprache hat im nationalsozialistischen Staate keinen Raum. (...) Es ist daher von jeder Förderung eines Unterrichts in solchen Sprachen abzusehen (...)"

Bernhard Rust

Mit diesem Verbot ging für Bernhard Rust ein Traum in Erfüllung. Er, der vor der Nazimachtergreifung als Lehrer wegen Trunkenheit von der Schule geflogen war und von den eigenen Parteifreunden als "Hohlkopf" bezeichnet wurde, hatte endlich auch mal was durchgesetzt. Ein anderer Traum schien sich jedoch aufzulösen: der Traum, den der kleine Lazarus einst geträumt hatte.

Lazarus Ludwik Zamenhof wurde 1859 in der zum russischen Reich gehörenden polnischen Stadt Bialystok geboren und träumte von Kindheit an von einer neuen Sprache, die alle Menschen auf der Welt verstehen könnten. In Bialystok aber, verstanden sich nicht mal die Nachbarn.

Polen, Russen, Deutsche, Weißrussen, sie alle lebten in derselben Stadt und sprachen doch kaum miteinander; fest davon überzeugt, dass das, was der Nachbar in seiner Muttersprache von sich gab, ohnehin eine Unverschämtheit sein müsse. Lazarus selbst fühlte sich als Russe. Doch er trug noch eine zweite Identität in sich: Er war Jude, wie zwei Drittel der Bürger von Bialystok. Dass er einer städtischen Minderheit angehörte konnte man also nicht behaupten. Und doch waren die Juden diejenigen in Bialystok, die am meisten unter Anfeindungen litten.

Lazarus Vater hatte es dennoch geschafft, ein angesehener Mann zu werden und schärfte seinen Kindern ein, dass nur Anpassung und Vaterlandsliebe einem Juden zum Glück verhelfen könnten. Aber Lazarus erkannte früh, dass dies allein nicht der Schlüssel zur Befreiung der Juden, ja zur Befreiung aller Menschen sein könne. Lazarus träumte von einer "Einigung der Menschheit" durch eine gemeinsame Sprache. Für ihn war die Vielfalt der Sprachen daran schuld, dass die menschliche Familie sich in feindliche Teile spaltete, wie er es ausdrückte. Schon auf dem Gymnasium begann er darum, an einer neuen, einfach zu erlernenden Sprache zu tüfteln, die an romanische Sprachen angelehnt war, aber auch slawische und germanische Komponenten enthielt.

1887 veröffentlichte er das erste Lehrbuch zu seiner Sprache unter dem Pseudonym "Dr. Esperanto", zu deutsch "der Hoffende". Lazarus träumte nicht mehr nur, er hoffte, dass seine Sprache, die neutral war und keine bestehende Kultur symbolisierte, in der ganzen Welt gelernt würde, so dass jeder neben seiner Muttersprache Esperanto beherrsche, wie die Kunstsprache bald hieß. Seine Hoffnung schien sich zu erfüllen. In vielen europäischen Ländern und sogar in China und Japan bildeten sich Esperantovereinigungen.

Die Nazimachthaber hatten freilich keinen Sinn für derartige "jüdische Völkerversöhnungsillusionen", wie sie es nannten. Das Esperanto würde den Volksgeist schwächen und diene zudem den Kommunisten als Geheimsprache. Es dauerte nicht lange, bis der Gebrauch des Esperantos von den Nazis ganz verboten wurde.

Doch der Traum des Lazarus Ludwik Zamenhof erwies sich als langlebiger, als der des Berhard Rust. Wer heute Esperanto in Deutschland lernen will, der kann das tun. Und sogar Esperanto sprechende Email-Freunde in China gewinnen ...


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