Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. Februar 1874 Erstes Dampfschiff überquert den südlichen Polarkreis

Sie war die erste globale Seeexpedition rein zu Forschungszwecken: die Challenger-Expedition. Das Expeditionsschiff legte eine Strecke von ungefähr 130.000 Kilometern zurück und durchquerte damit fast das gesamte Weltmeer. Die Challenger-Expedition gilt als der Beginn der modernen Ozeanologie. Autor: Jean-Marie Magro

Stand: 16.02.2023 | Archiv

16 Februar

Donnerstag, 16. Februar 2023

Autor(in): Jean-Marie Magro

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Es ist eine fast schon wie aus einer Fabelerzählung entsprungene Geschichte: die Reise der Challenger, die zur Wintersonnenwende im Jahr 1872 vom Hafen in Portsmouth auslief und dreieinhalb Jahre später dort wieder anlegte. Eine Forschungsreise durch alle Weltmeere: Die Mannschaft untersuchte den Golfstrom, durchquerte den Pazifik, segelte am südlichen Teil der südamerikanischen Küste entlang und überquerte als erstes Dampfschiff am 16. Februar 1874 den südlichen Polarkreis. Fast 70.000 Seemeilen hatten die Matrosen auf dem Dreimaster zurückgelegt und dabei bahnbrechende Entdeckungen gemacht.

Ein Abenteuer, das inspiriert von Jules Vernes Klassiker "20.000 Meilen unter dem Meer" scheint, den der Franzose nur drei Jahre vor dem Aufbruch des britischen Schiffs geschrieben hatte. Gut, die Challenger konnte im Gegensatz zur Nautilus nicht abtauchen. Und wahrscheinlich hatte der Naturforscher Charles Wyville Thompson, der die Expedition leitete, auch nicht im Sinne, seine eigene Flagge in den Südpol zu rammen, wie es Kapitän Nemo tat.

Ding oder Ding sein?

Thompson hatte aus dem Nordatlantik und dem Mittelmeer eigenartige Kreaturen gebaggert und damit die britische Regierung überzeugt, seine Forschungsreise zu finanzieren.
Über 4.700 neue Spezies entdeckten die Matrosen auf ihrer langen Reise. Sir Thomson glaubte, wie viele Anhänger der neueren Evolutionstheorie damals, dass die Tiefsee "lebende Fossilien" beherbergen würde, die in seichten Gewässern schon lange ausgestorben waren.
Vor der Küste Tahitis zog die Challenger zwei große Zähne eines Megalodons an Deck, dem Riesenhai, der bis heute für Faszination und Verschwörungstheorien sorgt. Die Mannschaft widerlegte die Theorie vom Urschleim, dem Übergang zwischen "Ding und Sein".

Endlose Tiefe

Und im März 1875 machte sie eine große Entdeckung im Mariannengraben: Der Schiffsteward Joseph Matkin schreibt:
"Wir müssen das Lot in ein Tiefseetal abgelassen haben, dort ging es so weit in die Tiefsee hinab, wie der Mount Everest hoch ist."
8184 Meter sank die Spitze der Lotmaschine der Challenger zu Boden. Es war der bis dahin am tiefsten gemessene Punkt weltweit. Matkin erzählt weiter, dass alle Thermometer, die sie an die Lotmaschine gehängt hatten, zerbrachen - bis auf eines: "Und als wir es herauszogen, zeigte es eine Temperatur von 1,5 Grad Celsius an. Bei uns an der Oberfläche waren es 27,5 Grad."

Inzwischen sind noch viel tiefere Punkte auf dem Meeresboden gemessen worden. Doch die Stelle, an der die Challenger das Garn mit den kräftigen Haken am Ende herunterließ, wird noch immer das Challenger-Tief genannt.
Als wäre das nicht genug, war die wissenschaftliche Expedition auf dem englischen Dreimaster auch noch die erste, die Bilder von Eisbergen vor der Antarktis machte. Dabei kollidierte sie leicht mit einem Eisberg. Fast wäre aus der Challenger also eine Titanic geworden. Doch zum Glück konnte sie ihre unglaubliche Reise fortsetzen - und so die moderne Ozeanografie begründen.


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