Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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12. Februar 1884 Der erste Füllfederhalter

Am 12. Februar 1884 bekam der New Yorker Lewis Edson Waterman das Patent auf den modernen Füllfederhalter. Mit praktisch angewandter Physik gelang es dem Versicherungsmakler, ein jahrhundertealtes Kleks-Problem endlich zu lösen: Wie kommt nur so viel Tinte wie wirklich nötig aufs Blatt? Autor: Michael Zametzer

Stand: 12.02.2024 | Archiv

12 Februar

Montag, 12. Februar 2024

Autor(in): Michael Zametzer

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Der große Tag ist da. Der Tag der Führerscheinprüfung. Der Führerschein ist ihre Eintrittskarte in die Welt der Erwachsenen, genauer, in die Schreibwelt der Erwachsenen. Denn wer ihn hat, kann von sich sagen: Schaut her, ich kann mit einem Füller schreiben, denn ich habe den - Füllerführerschein!
Und es hat seinen Grund, dass landauf, landab in den Grundschulen die Kinder nicht ohne Füllerführerschein auf die Menschheit losgelassen werden. Mit Tinte zu schreiben, das will gelernt und geübt sein. Wer Tinte mit der Feder aufs Papier bringt, schreibt in einer Traditionslinie mit Goethe, Schiller, Luther, Hildegard von Bingen.

Lange ungelöste Probleme

Die ersten Tintenfedern kratzten schon im vierten Jahrhundert nach Christus übers Pergament. Und es waren tatsächlich Federn, Gänsekielfedern. Und über Jahrhunderte blieben zwei Probleme beim Schreiben ungelöst: Die Feder musste immer wieder in die Tinte getaucht werden, und: die Tinte floss gern unkontrolliert aufs Papier, verklumpte und ergoss sich dann im Schwall, was zu großen Kleckskatastrophen führte.
Eine solche Katastrophe soll, so die Legende, dem New Yorker Versicherungsmakler Lewis Edson Waterman ein großes Geschäft ruiniert haben. An einem Tag im Jahr 1883 steht er kurz vor einem bedeutenden Vertragsabschluss, das Dokument ist bereit zur Unterschrift, der Kunde setzt die Feder an, und – die Tinte patzt unkontrolliert aufs Papier. Auf eine neue Abschrift des Vertrags will der Kunde nicht warten und geht zur Konkurrenz, der Deal ist geplatzt. Noch am selben Tag setzt sich Waterman hin, um das Jahrtausendproblem des unkontrollierten Tintenflusses zu lösen.

Der Mann, der die Tinte zähmte

Dafür nutzt er das physikalische Kapillarprinzip, nach dem Flüssigkeiten in engen Röhren höher steigen als in breiten. Waterman bohrt viele feine Lamellen in den Kollektor zwischen dem Tintentank und der Feder, die an ihrer Spitze auch einen dünnen Schnitt hat. Dadurch fließt immer nur so viel Tinte, wie zum Schreiben nötig ist - je nachdem, wieviel Druck auf die Federspitze ausgeübt wird. Ein kleines Loch in der Feder lässt die Tinte gleichmäßig nachfließen. Weil dadurch hinten im Tank ein Vakuum entsteht, sorgt ein kleiner Raum im Füller für Druckausgleich, und bremst zugleich den Tintenfluss.
Am 12. Februar 1884 bekommt Waterman das Patent auf diese Technik und nennt seinen ersten Füllfederhalter "Waterman Regular". Die Anfänge sind bescheiden, die Nachfrage mau. Er verkauft ein paar handgearbeitete Exemplare im Hinterzimmer eines Zigarrengeschäfts. Erst intensive Werbung und Anzeigen in der Presse beleben das Geschäft mit dem Patentfüller. 1888 gründet Waterman eine Fabrik in Kanada, entwirft viele verschiedene Modelle. Den Durchbruch seines klecksfreien Füllers erlebt er aber nicht mehr. Er stirbt im Jahr 1901, sein Neffe Frank D. Waterman führt die Firma weiter und macht den modernen Füllfederhalter zum weltweiten Exportschlager.
Heute ist Handgeschriebenes selten geworden. Wir tippen lieber, oder schicken gleich ein Sprachmemo, und wenn doch, dann liegt ja irgendwo ein Werbekuli rum. Dennoch: Solange noch eine einzige blauverschmierte Grundschulkinderhand durch die Welt wedelt, lebt die Erinnerung weiter - an Lewis Edson Waterman, den Mann, der die Tinte gezähmt hat.


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