Profi-Fußball der Herren ist heutzutage eine äußerst gepflegte Angelegenheit. Tagsüber trainieren gepflegte junge Männer auf gepflegtem Rasen gepflegte Querpässe. In ihrer Freizeit pflegen die Stars zum Frisör nach London zu fliegen, um sich gepflegt die Behaarung der unteren Kopfhälfte kürzen zu lassen. Nach so einem aufreibenden Arbeitstag geht’s abends mit frisch rasiertem Under-Cut und sorgsam gepflegter Spielerfrau ins Restaurant, wo noch rasch ein vergoldetes Schnitzel vom Grill serviert wird. Am nächsten Tag steht dann schon wieder eine anstrengende Trainingseinheit auf dem Programm: Der flache Querpass, Teil 8.

Das Karussell

Diese Übung erfolgt wie immer unter den gestrengen Blicken eines Trainers, der auch Fußball-Lehrer genannt wird, weil er das Treiben auf gepflegtem Grün mit einer ausgeklügelten Philosophie des gepflegten Querpass-Spiels zu orchestrieren versteht. Sollten sich seine Trainings-Weisheiten wider Erwarten im Match nicht bewähren, und das über einen längeren Zeitraum – also zwei oder drei torlose Spieltage lang –, dann packt der Fußballlehrer seine Flip-Charts und Motivations-Lehrbücher wieder ein und zieht – im Tausch gegen eine sechsstellige Ablösesumme – zum nächsten Verein weiter. Dieser Vorgang wiederholt sich so oft, dass man heutzutage vom Trainerkarussell spricht. Nun ist ein Karussell ja eigentlich etwas, das Freude bereiten soll. Anders das Trainer-Karussell. Mit Grabesstimme teilen die Vereinsoberen mit, dass man sich schweren Herzens trennen müsse, weil der Trainer die Mannschaft nicht mehr erreicht habe. Wo oder wann er die Jung-Millionäre in kurzen Hosen nicht erreicht hat – beim Frisör, beim Nobel-Italiener oder beim Querpass-Üben? – das wird meist nicht verraten. Interessiert aber auch keinen. Hauptsache, das Fahrgeschäft namens Trainer-Karussell dreht sich wieder. Und keiner weiß, wer der nächste sein wird.

Der Erste

Sehr wohl bekannt ist hingegen, wer der erste entlassene Bundesligatrainer war: Herbert Widmayer. Das ist lange her, Fußballspieler verdienten damals keine Millionen, und auf dem Platz wurden noch Steilpässe gespielt! Man stelle sich vor: Steilpässe! Nach vorne!!!! Wahnsinn!
Jedenfalls war Fußballtrainer Herbert Widmayer drauf und dran, beim 1. FC Nürnberg als Heiliger in die Vereinsannalen einzugehen. Nach vielen erfolglosen Jahren hatte Rekordmeister Nürnberg unter seiner Regie wieder Titel geholt: 1961 die deutsche Meisterschaft und 1962 den DFB-Pokal. Beste Voraussetzungen also für die 1963 neu gegründete Fußball-Bundesliga. Zunächst lief es auch ganz passabel für den Club, dann jedoch: Flaute! Eine Niederlage nach der andern! Nürnbergs geneigtes Fußballpublikum wurde ungehalten, bespuckte und beschimpfte seinen Trainer. Sogar Drohanrufe in gepflegtem Fränkisch hat Widmayer bekommen. Und sein Opel Rekord Coupé wurde ramponiert! Der arme Mann war seines Lebens nicht mehr sicher. Und so erklärten am Abend des 30. Oktober 1963 die Offiziellen des Vereins, der Trainer sei nicht mehr zu halten. Er möge bitte Urlaub nehmen, in eigenem Interesse. Widmayer stimmte zu. Und die erste Trainerentlassung der Bundesliga-Geschichte war vollzogen. Das Karussell aber, das hatte gerade erst angefangen, sich zu drehen.