Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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13. Oktober 1937 Offizielles Teigfladendebut: Erstmals wird eine Pizza in Deutschland gebacken

Die Geschichte der Pizza in Deutschland beginnt viel später als in den USA. In den Staaten eröffnet die erste Pizzeria 1905, in Deutschland erst 1952. Gebacken freilich wurde die erste Pizza auf deutschem Boden schon viel früher, in dunklen Zeiten: 1937 während einer internationale Kochkunst-Ausstellung in Frankfurt. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 13.10.2023 | Archiv

13 Oktober

Freitag, 13. Oktober 2023

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Hmmmmm! Pizza! Wie das duftet! Wie das riecht. Wie das schmilzt und glänzt in schlichter Vollendung. Viel braucht es nicht. Nur knusperdünn muss sie sein, tomatensaftig, kräuterwürzig, käsesämig, schon tanzt die Nase den Majoran und der Gaumen packt die Koffer Richtung Sonne, Sand und Meer. O Pizza nostra! Ob an der Tanke, beim Italiener, am Kiosk genossen, ob online geordert, ob aufgetaut, ob selbstgebacken, la Pizza gehört zu uns. So sehr, dass wir jedes Jahr mehr als fünfhunderttausend Tonnen der mitunter bizarr belegten Fladen verspeisen. Seien wir ehrlich: niente batte la pizza, da machen Schnitzel, Sauerbraten und Presssack keinen Stich.

Die Kocholympiade

Aber wie und wo kam sie zu uns? Wann wurde la Pizza erstmals in Deutschland gebacken? Das wissen wir auf den Tag und fast sogar die Stunde genau. Der erste Auftritt, die offizielle Pizzapremiere, fällt in eine zunehmend finstere Zeit. 1937 ist ein Jahr voll wetterleuchtender Kriegsgefahr und kitschiger Heile-Welt-Beschwörung: Der braune Diktator fiebert Großkriegspläne, Krupp baut Panzer und Kanonen im Akkord, Parkbänke sind plötzlich nur noch für Arier da. Im Kino albern derweil Theo Lingen und Heinz Rühmann gegen die Schwerkraft an, Zarah Leander haucht "Yes Sir!", Rudi Schuricke umgarnt die Juliska aus Budapest.
Während nichts mehr normal ist und alle trotzdem so tun, steigt in Frankfurt, wie alle vier Jahre seit 1895, die Internationale Kochkunst-Ausstellung. Elf Tage lang, vom 9. bis zum 20. Oktober, kämpfen 14 deutsche und acht ausländische Team um die Goldmedaille der Kocholympiade.
Unter den Augen kritischer Juroren und kulinarisch ambitionierter Messebesucher schnippeln, rühren, braten, backen die Mannschaften täglich live ein Menü, das ihre Landesküchen zum Leuchten bringt. Wer die meisten Wertungspunkte sammelt, trägt am Ende den Lorbeer nach Hause.

Ein historischer Moment

Am 13. Oktober 1937 steigt der faschistische Köcheverband Rom mit einer bemerkenswerten Speisenfolge in den Ring. Es gibt Spaghetti mit Venusmuscheln, Seezungenfilet alla Duce, Kalbskoteletts, Schweinerippchen Milanese und davor, als primo piatto, eine Pizza Napoletana. Tusch, Fanfaren, Feuerwerk! Da ist sie also: die erste nachweislich auf deutschem Boden gebackene Pizza. Das Debüt ist gerichtsfest belegbar und qua Ausstellungskatalog amtlich bezeugt! Ein wahrhaft historischer Moment, und doch nur ein Gastauftritt, der bald im blutigen Rauschen der Realgeschichte untergeht.

Zur dauerhaften Eingemeindung kommt es erst 15 Jahre später. 1952 eröffnet Nicolino di Camillo in Würzburg mit dem Sabbie di Capri Deutschlands erste Pizzeria. Jetzt gibt es kein Halten mehr, die Pizza startet durch. Zunächst live beim Italiener ums Eck, dann ab 1968 auch als Dr. Oetker Tiefkühlware. Seit unser Lieblingsteigfladen nicht nur telefonisch, sondern auch online bestellbar ist, reißt der Absatz alle Rekorde. Vor allem am Sonntagabend. Am Fest der heiligen Trias Kanapee, Glotze, Pappkarton ist hierzulande absoluter Order-Peak. Hmmmm! Endlich wieder Pizza! Zufrieden jauchzet Groß und Klein: hier bin ich Mensch, hier darf ich`s sein!


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