Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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25. Oktober 1892 Erfindung des Bierdeckels

Im 19. Jahrhundert stellte man seinen Krug auf ein Bierfilz - meist aus Wolle. Und die verwendete man wieder und wieder und wieder. Sehr hygienisch war das nicht. Die Zeit war reif für die Erfindung des Bierdeckels aus Karton. Und, dass man die gleich noch mit Werbung bedrucken konnte, machte sie noch erfolgreicher. Autorin: Katharina Hübel

Stand: 25.10.2023 | Archiv

25 Oktober

Mittwoch, 25. Oktober 2023

Autor(in): Katharina Hübel

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Frank Halbach

Gebirgsfelsen können wunderbare Namen haben. "Hohe Liebe" etwa. "Affensteine" oder auch "Wilde Hölle". Wie in der Sächsischen Schweiz. So malerisch zerklüftet, von Nebel durchzogen, grün betupft und rau, dass etliche Maler der Romantik sich daran nicht sattsehen konnten. Dort, im pittoresken Nirgendwo der sächsischen Wildnis liegt Mittelndorf. Und noch weiter, tief im Wald, fernab von befestigten Wegen, stand einst eine Holzschliffmühle. Erbaut 1882 von dem Dresdner Robert Sputh. 70 Menschen aus den umliegenden Dörfern gab er Arbeit - sie nahmen dafür lange Fußmärsche in Kauf.

Hopfen und Malz – Gott erhalt’s!

Nur wenige Jahre später stagnierten die Geschäfte mit dem Holz wegen einer Krise in der Branche. Robert Sputh, ein findiger Kaufmann, suchte einen neuen Absatzmarkt und tüftelte jahrelang an einem Verfahren. Zur Herstellung von: Bierdeckeln. Es gab sie zwar schon. Aber noch nicht in der heutigen Form. Porzellanteller dienten als Bierschaum-Fang oder Bier-Filze aus Wolle, die ziemlich unhygienisch waren. 1880 stanzte die Kartonagefabrik Friedrich Horn bei Magdeburg die allerersten Bierglasuntersetzer aus Pappe. Von Hand. Robert Sputh suchte für diese Erfindung eine Möglichkeit, sie in Massen herzustellen – das sollte seine Firma retten und sogar zum Global Player machen. Am 25. Oktober 1892 meldete Robert Sputh das Reichspatent 68499 an für einen "saugfähigen Holzfilz-Bierglasuntersetzer", der dazu in der Lage war, das überschäumende Bier aus dem Bierkrug in Sekundenschnelle aufzusaugen - und vor allem: er konnte die Bierdeckel jetzt industriell herstellen. Es folgten das Patent für Österreich-Ungarn. Und für die USA.
Der allererste Bierglasuntersetzer von Robert Sputh war rund und beschriftet: "Hopfen und Malz - Gott erhalt’s."

Werbefläche Bierdeckel

Bis heute werden die Pappe-Bierdeckel nach Spuths Methode hergestellt: Frisches Fichtenholz wird entrindet und mit Schleifsteinen abgeschliffen, die Fasern werden mit Wasser zu einem Brei vermengt - ähnlich wie Pappmaschee - auf ein Langsieb aufgebracht und getrocknet. So entsteht ein Pappband, aus dem die Bierdeckel ausgestanzt werden. Sputh hatte vor Ort Druckmaschinen stehen und konnte die Bierdeckel gleich bedrucken. Sie dienten nicht nur Brauereien als Werbefläche. Auch Zigaretten, Juchtenlederfett oder Elektroherde wurden dort angepriesen. Selbst die Politik nutzte sie für ihre Zwecke: Pickelhauben, Karikaturen und Sprüche wie: "Hindenburg, er lebe hoch, der uns beschützt vorm Russenjoch" sollten Stimmung machen. 1.000 Stück kosteten 10 Mark, 10.000 Stück 65 Mark. Robert Sputh konnte sich in Dresden eine Villa in bester Lage, der Kaitzer Straße, leisten. Und seinen Arbeitern stellte er Dusche und Kantine bereit. Sein Betriebsleiter wohnte in der Mühle und baute im Garten Obst und Gemüse an. Heute noch steht aus dieser Zeit ein Quittenbaum mitten im Wald. Sonst ist von der Sputhschen Mühle nur noch etwas Rost übrig. Korrodierte Zahnräder. Löchrige Eisenträger. 1937 - nicht mal fünfzig Jahre nach dem bahnbrechenden Patent - brannten die Gebäude vollständig ab. Die Feuerwehr, die erst auf die Eisenbahn verladen werden und sich den restlichen Weg durch den so romantischen, jedoch unbefestigten Wald bahnen musste, kam viel zu spät.


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