Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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6. Mai 1754 Dorothea Christiane Erxleben wird erste promovierte Ärztin Deutschlands

Sie will in die Fußstapfen des Vaters treten, wie der Bruder. Doch was für den Sohn der Arztfamilie keine Schwierigkeit birgt, ist für eine Tochter in der damaligen Zeit unmöglich. An eine Universität gehen? Medizin studieren? Dorothea Christiane Erxleben macht es trotzdem und wird zur ersten promovierten Ärztin. Autorin: Birgit Magiera

Stand: 06.05.2022 | Archiv

06 Mai

Freitag, 06. Mai 2022

Autor(in): Birgit Magiera

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Neid ist eine durch und durch menschliche Regung, jede und jeder verspürt ab und an Neid, manche heftiger, andere nur leicht. Neid ist also weit verbreitet und gleichzeitig die am wenigsten charmante Todsünde, die noch dazu überhaupt keinen Spaß macht: ein deftiger Wutanfall kann wenigstens noch befreiend sein. Und Trägheit - Ach Gott - Trägheit lässt sich heutzutage ganz kokett als "tiefenentspannt" oder "gechillt" verkaufen. Neid dagegen macht den Neider hässlich und klein. Weshalb das Neidisch-sein meist im Verborgenen passiert.

Einfach mal entspannen

Und die Person, die beneidet wird? - Strahlt manchmal umso heller, wenn sie mit den Neidern so souverän umgeht, wie Dorothea Christiane Erxleben, Deutschlands erste promovierte Ärztin. Im 18. Jahrhundert hat sie gelebt, lange bevor Mädchen und Frauen Zugang zu höherer Bildung hatten. Wie kam es also zu dem Doktortitel für Frau Erxleben? Wie so oft: durch Eltern, die ihr begabtes wissensdurstiges Kind fördern. Ihr Vater ist selbst Arzt, praktiziert in eigener Praxis in Quedlinburg, am Nordrand des Harzes gelegen.

Über die Schulter schauen

Früh nimmt er Dorothea und ihren älteren Bruder Christian mit zu Hausbesuchen bei Patienten, erklärt den Kindern seine Diagnosen, lässt sie mithelfen bei der Behandlung der Kranken. Und während sich der Bruder am Gymnasium auf sein Abitur vorbereitet, bekommt die Schwester Privatunterricht zuhause, auch in Naturwissenschaften. Dann wird es schwierig: Christian immatrikuliert sich ganz selbstverständlich an der Universität in Halle. Dorothea nicht: Frauen haben an der Uni nichts verloren.
Wer könnte das ändern? Der Vater kann nicht mehr helfen. Aber der Landesvater!, denkt Dorothea und schreibt im November 1740 ein Bittgesuch an den preussischen König Friedrich II. Der findet das Ansinnen "absonderlich", wie es heißt. Die ganze Zeit über arbeitet sie bereits in der Praxis des Vaters, betreut die Patienten auch alleine während dessen Abwesenheit und liest medizinische Schriften. 

Schließlich kommt die offizielle königliche Ausnahmegenehmigung für Dorothea, allerdings zu spät: um dem Militärdienst zu entgehen, studiert Christian mittlerweile in Göttingen. Ohne den Bruder kann Dorothea aber nicht an die Uni in Halle. Stattdessen - heiratet sie. Und zwar den verwitweten Diakon Johann Erxleben, der mehrere Kinder mit in die Ehe bringt. Als "Frau Pastor" und Mutter von später insgesamt neun Kindern müsste der Traum vom Ärztin-sein spätestens hier für Dorothea zu Ende sein. Aber sie praktiziert weiter, mit Erfolg: sie ist gefragt, beliebt und verdient gutes Geld, auch ohne Doktortitel. Das ist das Stichwort - Auftritt der Neider: drei Kollegen zeigen die Ärztin an, wegen unbefugter Krankenbehandlung und Pfuscherei mit Todesfolge. Eine üble Verleumdung. Will sie weiter praktizieren, muss sie innerhalb weniger Monate ihre Doktorarbeit einreichen, so die Auflage. Kurz nach der Geburt ihres vierten Kind absolviert sie am 6. Mai 1754 das Promotionsexamen bravourös. In ihrer Dissertation setzt sich Dorothea Erxleben ausgerechnet mit den mangelhaften Behandlungsmethoden der Arzt-Kollegen auseinander. Deutschlands erste promovierte Ärztin hatte offenbar auch Humor.   


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