Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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22. Januar 2001 Deutschland und China unterzeichnen Vertrag zum Transrapid

Manchmal will man eigentlich schon in Fahrt kommen, aber irgendwie ist dann doch der Zug abgefahren. Auch der Transrapid bleibt zumindest aus bayerischer Sicht erst mal nur ein kurzer Halt in der Verkehrsgeschichte. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 22.01.2018 | Archiv

22 Januar

Montag, 22. Januar 2018

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Technikfolgenabschätzung ist kein leichtes Geschäft. Die Chancen und Risiken von Zukunftsprojekten zu erkennen - und zwar im Vorhinein? Da kann man ganz schön daneben liegen. Man denke nur an die Erfindung der Eisenbahn. Was gab´s seinerzeit für Ängste! "Ein Wahnsinn", hieß es damals, "das hält kein menschlicher Organismus aus! Viel zu schnell!" - Tja, hört man heutzutage auch nur noch selten, wenn man an deutschen Bahnsteigen auf den Zug wartet.

No risk, no fun

Oder die erste Atomexplosion. War ganz schön riskant. Fachleute warnten damals vor einem möglichen Weltenbrand. Die ganze Erdatmosphäre könne sich entzünden, hieß es. Ausprobiert hat man´s trotzdem, nach dem Motto: "Jetzt schau ma halt amal." Nun ja! Es gibt schon rechte Gemütsmenschen auf unserem Planeten.

Aber manchmal ist er dann doch wieder vernünftig, der Homo sapiens, und verzichtet auf Innovationen, wenn ihm die Risiken allzu groß erscheinen. Beim Transrapid zum Beispiel. Nun ist es ja keineswegs so, dass diese Magnetschwebebahn per se eine besondere Gefahr für Leib und Leben der Fahrgäste darstellte. Obwohl es gelegentlich zu tragischen Unfällen gekommen ist. Der eigentliche Grund für den Verzicht auf den Hochgeschwindigkeits-Zug lag wohl woanders. Bald schon drängte sich nämlich der Verdacht auf, dass mit der Einführung des geregelten magnetischen Schwebens ein vollständiger Niedergang geregelten politischen Redens verbunden sein könnte - quasi der grammatikalische Super Gau, mit vollständiger Auflösung von Syntax und Sinnhaftigkeit deutscher Sprache.

Vom Hauptbahnhof in den Flughafen …

Diese Angst war nicht ganz unbegründet. Denn im Januar 2002 war ein bayerischer Spitzenpolitiker und Transrapid-Befürworter ans Mikrofon getreten, um in einer Art Magnetschweberausch dem Sog der Geschwindigkeit vollends zu erliegen und aufs Fürchterlichste ins Schleudern zu geraten. Der Mann sagte: "Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München ... mit zehn Minuten, ohne, dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen ... am ... am Hauptbahnhof in München starten Sie Ihren Flug."

Diese Entgleisung blieb kein Einzelfall. Minutenlang ging sie so weiter, die ungeregelte Schwebe-Rede des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Bis am Ende auch dem letzten Zuhörer klar gewesen sein muss, dass die Risiken dieser Technologie für die deutsche Sprache völlig unbeherrschbar sind.

Das Transrapid-Projekt zum Münchner Flughafen wurde schließlich eingestellt; wohl nicht nur aus Kostengründen. Andernorts hat das der Karriere des Schnellzugs aber keineswegs geschadet. Denn bereits ein Jahr vor der berühmten Stoiber-Rede, nämlich am 22. Januar 2001, hatten Deutschland und China einen Vertrag zum Bau des Transrapids ausgehandelt, um ihn anderntags zu unterzeichnen. Deshalb kann man heute die 30 Kilometer von Shanghai zum Flughafen Pudong in nur sieben Minuten und 18 Sekunden zurücklegen. Wenn man mag. Die Chinesen freilich - so hört man - sind da eher zögerlich, die Auslastung der Bahn ist mau. Und was die Technikfolgenabschätzung für die schöne chinesische Sprache angeht: Nun, da liegen uns noch keine näheren Erkenntnisse vor. Aber völlig auszuschließen ist es nicht, dass der Transrapid auch im Reich der Mitte für Sprachverwirrung sorgt. Man muss sich ja nur einmal das chinesische Wort für Magnetschwebebahn auf der Zunge zergehen lassen: 磁悬浮列车 (Cíxuánfú lièchē).


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