Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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7. Februar 1990 DDR erlaubt Kunstprojekt "East Side"

Das Denkmal East Side Gallery in Berlin-Friedrichshain: eine dauerhafte Open-Air-Galerie auf dem längsten noch erhaltenen Teilstück der Berliner Mauer. Im Frühjahr 1990, nach der Öffnung der Berliner Mauer, bemalten 118 Künstlern aus 21 Ländern dieses Teilstück über eine Länge von 1316 Metern. Autor: Hartmut E. Lange

Stand: 07.02.2024 | Archiv

07 Februar

Mittwoch, 07. Februar 2024

Autor(in): Hartmut E. Lange

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

"Du bist ein Spinner, ein Traumtänzer! Die Mauer bemalen, das lassen die niemals zu! Es ist nach wie vor eine Grenzanlage, auch wenn sie jetzt durchlässig ist."
Das muss sich Dave Monty, ein in West-Berlin lebender Künstler, immer wieder von Freunden anhören. Offenbar haben sie recht.
Ende November 1989, gerade mal 12 Tage nach der Maueröffnung, bemalen 30 junge Künstler in Ost-Berlin das weiße Betonungetüm. 400 Meter, vom Potsdamer Platz bis zur Leipziger Straße, unter ihnen auch Heike Stephan.
Die patrouillierenden Grenzsoldaten schauen etwas verwundert, gehen aber weiter. Über Nacht dann ein Befehl von ganz oben: am nächsten Morgen sind alle Kunstwerke übertüncht.

Das Okay der Generäle

Heike Stephan ist empört, genau wie Dave Monty. Die beiden vereint dieselbe Idee: sie wollen die größte Open-Air-Galerie der Welt erschaffen. Gemeinsam kämpfen sie um die Erlaubnis für die Mauerbemalung, sitzen mit ihrem Plan hochrangigen Offizieren gegenüber. Die stehen unter Druck, ihre sinnlose Übermalaktion hat heftige Kritik in der Weltpresse ausgelöst. Und - den Generälen gefällt der Name, der wäre gut fürs internationale Renommee der DDR: East Side Gallery!
Am 7. Februar 1990 erteilt das Ministerium für nationale Verteidigung der DDR die Genehmigung, im Stadtbezirk Friedrichshain 1,3 Kilometer Mauer zu bemalen.
Monty möchte nach einem Jahr mit der East Side Gallery um die Welt touren, und danach die bemalten Mauerteile versteigern. Heike Stephan ist gegen Vermarktung und verlässt das Projekt. An ihre Stelle tritt Christine MacLean. Die quirlige Schottin ist eine Powerfrau, sie wird zum Motor der East Side Gallery.
Sie kontaktiert Künstler in aller Welt, organisiert Farben und Malutensilien, sorgt für Unterkünfte. Oft quartiert sie Maler in ihrer Wohnung ein, denn Geld ist für das Projekt kaum vorhanden.
Das Interesse der Berliner ist riesig, viele suchen Kontakt zu den Künstlern. Ein Mauermaler beschreibt seinen 8-Stunden-Tag so: 4 Stunden malen, 4 Stunden reden.
Die Arbeitsbedingungen sind hart. Es ist extrem laut, und es stinkt nach Zweitaktmotoren, denn entlang der Mauer-Galerie führt die 6-spurige Mühlenstraße. Ende September 1990 sind alle Bilder fertig. 118 Künstler aus 21 Ländern haben mit unterschiedlichen Ausdrucksformen ähnliche Themen behandelt: Freude über das Ende des Kalten Krieges, Jubel über die Überwindbarkeit von Grenzen, und der Wunsch aller Menschen nach Frieden.
Viele Gemälde avancieren zu Bild-Ikonen der Wendezeit: Der Trabant, der die Mauer durchbricht - Symbol für die friedliche Revolution in der DDR.  Der sozialistische Bruderkuss von Breschnew und Honecker. Und Gorbatschow, hinter einem Lenkrad aus Hammer und Sichel durchs Brandenburger Tor fahrend.

Größte Open-Air-Galerie der Welt

Immer wieder ist die East Side Gallery gefährdet, denn sie grenzt an ein städtebauliches Filetstück. Das Spreeufer weckt Begehrlichkeiten bei Investoren und Immobilienhaien. Doch sie überlebt, wird unter Denkmalschutz gestellt und umfassend saniert. Inzwischen besuchen jährlich mehr als 4 Millionen Touristen die bunte Hauptstadt-Attraktion, die größte Open-Air-Galerie der Welt.


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