Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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6. November 1895 Consuelo Vanderbilt heiratet einen Titel

Consuelo Vanderbilt hatte sich ihre Traumhochzeit anders vorgestellt, vor allem hatte sie sich einen anderen Mann gewünscht. Von dem wiederum wollte ihre Mutter nichts wissen. Die hatte aus gesellschaftlichen Gründen schon einen armen Adligen für ihre Tochter "angekauft". Autorin: Ulrike Rückert

Stand: 06.11.2023 | Archiv

06 November

Montag, 06. November 2023

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Das Bühnenbild ist spektakulär: Rosen und Orchideen hängen in Girlanden unter der Decke und an den Wänden, winden sich um die Pfeiler und ranken von den Emporen herab. Die Nebenrollen sind erstklassig besetzt, mit zwei Bischöfen für die Trauung und einem englischen Herzog mit einer gewaltigen Gardenie im Knopfloch als Bräutigam. Die Hautevolee von New York stellt die Statisten in den Kirchenbänken, und ein Stardirigent mit seinem kompletten Symphonieorchester sorgt für die musikalische Untermalung.

Gegeben wird "Die verkaufte Braut", allerdings im echten Leben, inszeniert von Brautmutter Alva Vanderbilt. Die Vorstellung droht zu entgleisen, als die Hauptdarstellerin ihren Auftritt verpasst. Dann erscheint sie doch noch, zwanzig Minuten zu spät, in einer Wolke aus Spitze und Tüll. Sie sieht bleich aus und verheult.

Traum und Tränen

Als Consuelo Vanderbilt am 6. November 1895 Charles Spencer-Churchill, Herzog von Marlborough heiratet, feiert die Presse die "Hochzeit des Jahrhunderts", aber es ist nur ein weiterer Kuhhandel in der Ära der "Dollarprinzessinnen".

Zwischen den 1870er Jahren und dem Ersten Weltkrieg ehelichten einige hundert amerikanische Millionärstöchter europäische Aristokraten. Mit der Industrialisierung der USA wurden riesige Vermögen gemacht, aber die etablierte High Society an der Ostküste zeigte den Neureichen die eiskalte Schulter. Aber: Diese entdeckten bald, dass ein adliger Schwiegersohn durchaus eine Eintrittskarte in die exklusiven Kreise war.

Und auf der anderen Seite des großen Teichs gab es Scharen von Männern mit klingenden Titeln und einem schmerzlichen Mangel an Bargeld. Ein lebhafter transatlantischer Heiratsmarkt erblühte, mit Betonung auf Markt.

Armer Adliger gesucht

Die Vanderbilts hatten das eigentlich nicht mehr nötig. Sie waren nicht nur eine der reichsten Familien Amerikas, sondern hatten sich auch an die Spitze der oberen Zehntausend geboxt. Doch dann ließ Alva sich scheiden, und dafür wurde eine Frau aus der feinen Gesellschaft ausgestoßen. Zielstrebig machte sie Jagd auf Marlborough, die prestigeträchtigste Beute, die gerade zu haben war - der gesellschaftliche Bann hob sich augenblicklich, als sie ihn als künftigen Schwiegersohn präsentierte.

Der Herzog brauchte Cash für das Familienschloss Blenheim, einen der größten Paläste Englands. Schon die zwei Generationen vor ihm hatten Gemälde und das gute Porzellan verhökert, um die Rechnungen zu bezahlen. Und nicht zum ersten Mal rettete sich ein Marlborough mit einer amerikanischen Braut – Charles’ Stiefmutter war es zu verdanken, dass es in Blenheim nun Zentralheizung und elektrisches Licht gab, wenn auch noch immer keine Badezimmer.

Consuelo wollte keinen Herzog. Sie hatte sich schon mit einem anderen Mann verlobt. Alva machte dem rabiat ein Ende und täuschte einen Herzanfall vor, als Consuelo sich auf die Hinterbeine stellte. Aus Angst, mit weiterem Widerstand ihre Mutter umzubringen, fügte sich die Achtzehnjährige. Die "Hochzeit des Jahrhunderts" endete im Fiasko.
Consuelo erfüllte ihre Pflichten, indem sie zwei Söhne gebar, dann verließ sie den Herzog.


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