Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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20. Januar 1788 Beginn der Besiedelung Australiens

Die ersten europäischen Siedler Australiens waren über 700 Sträflinge, die von Marinesoldaten bewacht werden mussten. Am 20. Januar 1788 legte die "First Fleet" in der Botany Bay an. Die Ureinwohner staunten nicht schlecht. Später gingen ihnen erst recht die Augen auf.

Stand: 20.01.2011 | Archiv

Sendung nachhören: Beginn der Besiedelung Australiens

20 Januar

Donnerstag, 20. Januar 2011

Autoren: Annekathrin Schmid und Anja Mösing

Sprecher: Wolf Euba

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Jeden Tag ist es das Gleiche: eine braunrote Staubwolke kündigt sie an, die Touristen aus aller Welt. Sie kommen gut gekühlt hierher, in einem großen dunkel verglasten Bus, mitten in die sengende Januarhitze des australischen Hinterlandes. Sie werden erwartet. Eine kleine Gruppe schwarzbrauner Männer und Frauen hatte noch früher anreisen müssen, damit sie jetzt als einträchtige Ureinwohner bereit sitzen. Wenn sich die Staubwolke gelegt hat, kommt ihr Auftritt: Boomerangwerfen ist in normaler Kleidung erlaubt, aber für den Höhepunkt, den Initiationstanz, erwarten die Touristen schon eine Ganzkörperbemalung. Große rote Kreise und Schlangen leuchten gelb umrandet auf den Brüsten der Tänzerinnen. Egal wie träge und uninteressiert die Tänzerinnen wirken, egal auch, dass manchmal ein Tänzer vergisst, seine Socken auszuziehen, die Touristen sind gebannt und froh. So froh, die Ureinwohner Australiens endlich anzutreffen: halbnackt, mit Speeren bewaffnet und bemalt. Denn eins muss der australische Ureinwohner, der Aborigine, auf jeden Fall tun: die Vergangenheit verkörpern, Ursprünglichkeit und ein Leben in Harmonie mit der Natur. Dafür zahlen die Touristen und dafür kommen sie in Massen von weither. Heute.

Als der erste Schwung weißer Siedler hier landete, hatten die ganz andere Gründe zu kommen: Am 20. Januar 1788 - ankerte das letzte von 11 kleinen Segelschiffen in der Botany Bay. Diese "First Fleet", die "erste Flotte", hatte neben Vieh und Proviant mehr als 700 Sträflinge geladen, 200 Marinesoldaten zur Bewachung, dazu deren Ehefrauen und Kinder. Der neu entdeckte Kontinent kam der englischen Krone damals gerade wie gerufen, er schien genau der richtige Platz für hundertausende von Menschen, die man los sein wollte. Nach und nach ließen sich hierhin die vollkommen überfüllten

Gefängnisse der Heimat entleeren. Australien war angenehm weit weg, riesengroß und hatte den Vorteil, dass man es gefahrlos als unbesiedelt erklären konnte. Die wenigen Ureinwohner wurden von den Entdeckern durchweg als harmlos beschrieben. Es hieß, sie seien "das elendste Volk der Welt, hätten weder Häuser noch Kleider, weder Schafe noch Geflügel noch Erdfrüchte". Kurzum man fühlte sich ihnen haushoch überlegen.

Was die Aborigines von ihren neuen Mitbewohnern dachten, wissen wir nicht, aber wir ahnen, dass sie nicht schlecht gestaunt haben: Kaum waren die Schiffe vor Anker gegangen, kamen die verhüllten Fremden und verschenkten bunte Ketten. Das war ja nicht schlecht. Aber mit den Jahren blieb es nicht dabei. Die Fremden brachten sich Tiere mit, die hier niemand zuvor gesehen hatte: Hühner, Kaninchen, Pferde, Rinder und Schafe. Ohne jemals nachzufragen, ob das denn in Ordnung sei, trieben sie die Schafe in großen Herden immer weiter ins Land hinein. Keiner fragte, ob es genug Wasserstellen für so viele Tiere gibt, ob noch genug Wasser für die Menschen bleibt, oder ob es jemanden stört, dass plötzlich Zäune aus Draht das Land durchschneiden. Manchmal nur besuchten einzelne Männer die Sippen der Ureinwohner und bekamen, wie es Brauch war, als Gastgeschenk für die Nacht eine Frau. Später kamen Männer und holten sich die Frauen einfach so. Schlecht war es ja nicht, dass sich einige neue Nachbarn ab und zu mit etwas weißem Mehl, Wolldecken, Tabak oder Rum revanchierten. Aber wie sollte man das verstehen, dass eine Zeit lang das Mehl mit Arsen vergiftet war, oder dass man gleich eine Ladung Schrot abbekam? Schulen bauten die Weißen nur für sich selbst. Dann fingen sie an, die Kinder der Eingeborenen zu stehlen, sie in weiße Familien zu stecken und dort zu erziehen. Nun verlangt diese "Stolen Generation" Wiedergutmachung. Aber die Weißen kommen nur, um sich die alten Tänze und die Bemalungen von Aborigines anzuschauen. Wer soll das begreifen? 200 Jahre lang hat das niemanden interessiert.


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