Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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30. September 1861 Urvogel Archaeopteryx beschrieben

Manches Lebewesen passt nicht in gängige Theorien, was die Welt zusammenhält. Warum aber Theorien ändern, wenn man jenes Lebewesen verschwinden lassen kann? Dachte sich der bekannte Forscher Richard Owen, doch der Archaeopteryx ließ sich vor der Fachwelt nicht verstecken. Autorin: Katharina Hübel

Stand: 30.09.2022 | Archiv

30 September

Freitag, 30. September 2022

Autor(in): Katharina Hübel

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Vor 150 Millionen Jahren, zur Zeit der Dinosaurier, war Bayern von einem seichten Meer bedeckt. Kleine Inseln ragten hervor, Korallenriffe säumten die lagunenartigen Becken. Von Insel zu Insel flog in dieser subtropischen Schwüle ein neuartiges Lebewesen. Kein Flugsaurier. Aber auch nicht das, was wir heute Vogel nennen. Ein Wesen dazwischen: Der Archaeopteryx.

Interessante Mischung

Taubengroß, mit schwarzen Federn. Vielleicht auch rot-braun gemustert. Der Schwanz bestand aus einer verlängerten Wirbelsäule. Die Schwingen waren mit Krallen versehen - und doch waren sie gefiedert. Auch erlaubte das Gehirn bereits Flugmanöver. Einen Vogelschnabel hatte der Archaeopteryx noch nicht, dafür eine längliche Schnauze mit vielen kleinen Zähnen. Ein Wesen zwischen den Welten. Jahrmillionen verschollen im Plattenkalkstein von Solnhofen. Ein Wesen, das Darwin und seine Anhänger als letzten Beweis für die Evolutionstheorie so lange gesucht hatten. Das zeigen konnte, dass die Arten nicht unveränderlich gottgegeben sind, sondern sich über lange Zeit mit der Evolution entwickelt hatten.

Es kann nicht sein, was nicht sein darf

Ein steingewordener Alptraum für alle Gegner Darwins. Wie für Sir Richard Owen. Seines Zeichens Tieranatom des Britischen Museums in London, einst der führende Paläontologe seiner Zeit und Namensgeber der Dinosaurier. Und dennoch: Gegner Darwins. Er hoffte, das so entscheidende Beweismittel unterschlagen zu können, als er 1862 den ersten Archaeopteryx erwarb - für eine damals horrende Summe. 700 Pfund - das war das Museumsbudget von eineinhalb Jahren - für eine Versteinerung.

In Plattenkalkstein verwandelt, hatte der Archaeopteryx, gemeinsam mit anderen urzeitlichen Lebewesen wie Würmern, Insekten, Ammoniten, im Altmühltal die Jahrmillionen überdauert. Bis 1860 Arbeiter im Solnhofener Gemeindesteinbruch eine einzelne, kleine Feder gefunden hatten - konserviert in Stein. Eine Feder des Archaeopteryx, die man zunächst gar nicht zuordnen konnte.

Ein Jahr später: der nächste rätselhafte Fund, ein Zwitterwesen zwischen Dinosaurier und Vogel, zusammengekrümmt und kopflos mit halb geöffneten Schwingen. Am 30. September 1861 beschrieb erstmals ein Forscher diesen Fund für die Fachwelt: Hermann von Meyer, der schon die Solnhofener Feder bekannt gemacht hatte, ist auch der Namensgeber des Archaeopteryx. Er nannte das rätselhafte Wesen "uralte Feder". Nicht ahnend, dass er damit tatsächlich den Ur-Vogel beschrieben hatte. Die Dinosaurier haben damals tatsächlich Flügel bekommen. Irgendwann mussten vor dieser Beweisführung auch die Darwin-Gegner kapitulieren - selbst der Londoner Museumsdirektor Sir Richard Owen, der den Archaeopteryx nicht auf Dauer vor der Fachwelt verstecken konnte.

Seine Karriere fiel ebenso elendiglich ins Wasser - wie der erste Archaeopteryx. Von einem Sturm gepeitscht, von Wind und Regen gebeutelt, drückte wohl ein Wetterumsturz den Urvogel in eine übersalzene Lake, in der kein Leben mehr möglich war. So konnte der Archaeopteryx die Zeit am Grund der Lagune überdauern, zu Stein gepresst bis heute.


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