Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. März 1965 Alexis Sorbas kommt in die deutschen Kinos

Es ist der Film, der Anthony Quinn für immer zum Paradegriechen machen wird. Die Rolle des Alexis Sorbas scheint ihm auf den Leib geschrieben: Sorbas, der Lebenskünstler, die Träume hochfliegend, die Niederlagen tiefgehend und doch so, dass Sorbas lachend darüber hinwegtanzt. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 26.03.2024 | Archiv

26 März

Dienstag, 26. März 2024

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Susi Weichselbaumer

"Zeig mir, wie man tanzt!" Darauf läuft alles zu. Mit dieser Bitte ist Basils Lehrzeit zu Ende. Das ist die Hauptsache, und recht viel mehr erfahren wir nicht über ihn. Eigentlich wissen wir nur, dass Basil Schriftsteller ist und Engländer, ein Kopfmensch, der Papier kaut, Tinte trinkt und sein Leben verhockt. Weil sich das irgendwann schal anfühlt und er endlich etwas Reales anpacken will, pachtet Basil ein stillgelegtes Bergwerk auf Kreta.
Kurz vor der Überfahrt trifft er im Hafen von Piräus einen ergrauten Herumtreiber, der sich als Koch und Minenexperte andient. Alexis Sorbas ist das ganze Gegenteil Basils: Ein Filou, ein Schelm, ein von Sonne, Wind und Wasser gegerbter Geschichtenerzähler, der vor schierer Lebenskraft nur so strotzt. Was gestern war, was morgen kommt, kümmert Sorbas keinen Deut. Für ihn zählt der Augenblick, nur das, was heute, jetzt, in dieser Minute passiert.

Hier und jetzt

Anfangs knirscht es zwischen den beiden gewaltig. Sorbas ist sprunghaft, er säuft, trägt dick auf, steckt voll wundersam versöhnter Widersprüche. Er kann in einer Frauenträne ertrinken und im Handumdrehen Gott im Rausch zum Zweikampf fordern. Aber vor allem hat er eine meerweite, freifliegende Seele und bringt Basil allmählich bei, sich dem Leben geschmeidiger anzuvertrauen. Nur eines lernt der Engländer nicht: So wie Sorbas sorglos und ohne Reue selbst über Trümmern zu tanzen.

Und der Rest ist: Sehen wir dann schon ...

Dazu muss erst die Sache mit der Seilbahn passieren. Und die fängt damit an, dass Basil Stützholz braucht, um die baufällige Mine abzusichern. An Bäumen ist kein Mangel.
Die wachsen in einem Klosterwald über dem Bergwerk und Sorbas schwätzt den Mönchen sogar das Fällrecht ab. Aber wie kommen die Stämme hinab an die Küste? "Kein Problem!", sagt Sorbas, "ich bau eine Seilbahn". Die ist irgendwann tatsächlich fertig und soll gebührend eingeweiht werden. Das ganze Dorf hat sich im Sonntagsstaat versammelt, die Mönche segnen das Werk, Sorbas schickt die ersten Stämme auf die Reise und das Verhängnis nimmt seinen Lauf: Ein Pfeiler nach dem andern splittert, bricht knickt, und was noch steht, das peitscht das Drahtseil nieder.

Basil hat alles verloren. Die Seilbahn hat sein ganzes Geld gefressen, da ist nichts mehr zu retten. Einen Augenblick schwankt er unter dem Schlag. Dann sieht er, wie Sorbas die Arme ausbreitet und staunend die Größe des Scheiterns rühmt: "He, Boss, hast du jemals etwas so schön einstürzen sehen?"

Das ist der Moment, der den Schalter umlegt. Der Moment, in dem Basil unter den Trümmern seiner Existenz hervorkriecht. Der Moment, in dem er das Leben lachend ohne Wenn und Aber umarmt. Und dann geschieht noch ein Wunder, vielleicht das größte des an Wundern so überreichen Films Alexis Sorbas, der am 26. März 1965 in deutschen Kinos anläuft: Eine archaische Musik setzt ein und tut so, als sei sie so alt wie die Welt. In Wirklichkeit aber hat sie Mikis Theodorakis eigens fürs Kino erfunden. Nur für diese eine Szene am Strand, nur dafür, dass Anthony Quinn von nun an für immer Alexis Sorbas ist und Basil mit ihm bis in alle Ewigkeit Sirtaki tanzt.


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