Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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31. Oktober 2016 Älteste Spinne der Welt an Wespenstich gestorben

Die wahrscheinlich langlebigste Spinne der Welt wurde schlicht "Nummer 16" genannt. Ihre 43 Jahre verbrachte sie im australischen Buschland unter Beobachtung der Biologin Barbara York Main. Dann wurde das Leben der Falltürspinne jäh beendet. Autorin: Prisca Straub

Stand: 31.10.2023 | Archiv

31 Oktober

Dienstag, 31. Oktober 2023

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Frank Halbach

Sie gilt als langlebigste Spinne der Welt. Ein stark behaartes Exemplar aus der Verwandtschaft der Vogelspinnen mit einer Lebensspanne von mehr als vier Jahrzehnten. Und vermutlich wäre die australische Achtbeinerin sogar noch älter geworden - wenn ihre Biografie nicht so unvermittelt beendet worden wäre.

Caius villosus, so der wissenschaftliche Name, stand Zeit ihres Lebens unter lückenloser Beobachtung: Die knapp handtellergroße, dunkelbraune Falltürspinne war nämlich Teilnehmerin einer Langzeitstudie - und wie für weibliche Exemplare ihrer Art üblich: ausgesprochen ortstreu. Unmittelbar nach dem Schlüpfen suchen Jungtiere eine passende Erdhöhle, die sie nie wieder aufgeben. Perfekte Voraussetzungen also für eine wissenschaftliche Beobachtung in freier Wildbahn, findet Barbara York Main von der Western Australia University in Perth. Dass diese Studie sie allerdings bis weit über das Rentenalter in Anspruch nehmen wird, das kann die Zoologin nicht ahnen, als sie Anfang der 1970er Jahre mit ihrer Arbeit beginnt.

Im Reich der Falltürspinne

In einem Naturschutzgebiet im Südwesten Australiens markiert die Spinnen-Expertin die charakteristischen Wohnröhren junger Falltürspinnen. Auf Knien durchforstet sie die ausgedörrte Strauchlandschaft: Exemplar Nummer 16 hat bereits einen hübschen vertikalen Tunnel angelegt, mit Spinnenseide ausgekleidet und mit der namensgebenden "Falltür" nach oben hin getarnt. Sobald ein ahnungsloses Insekt die gespannten Stolper-Fäden am Tunneleingang erzittern lässt, schnellt die Lauerjägerin empor und zieht die Beute in die Tiefe. Ansonsten rührt sich Nummer 16 so gut wie nicht vom Fleck - außer, um ihre Behausung dem immer größer werdenden Körperumfang anzupassen.

Unerwartete Langlebigkeit

Alles in allem eine unter Falltürspinnen wenig spektakuläre Lebensweise, die Barbara York Main allerdings detailgenau dokumentiert: In regelmäßigen Abständen überprüft sie die Wohnröhre, späht durch die vorsichtig angehobene Falltür, katalogisiert Speisereste: Nummer 16 überlebt die zunächst kalkulierten rund 20 Lebensjahre scheinbar mühelos. Ein Studienobjekt mit ungewöhnlicher Ausdauer! Liegt es am extrem sparsamen Stoffwechsel? An effektiver Ressourcennutzung? York Main muss neue Forschungsmittel beantragen. Immer wieder. Ein Abbruch der Untersuchung kommt für sie nicht infrage.

Die Forscherin geht bereits auf die 90 zu, als sie am 31. Oktober 2016 schließlich vom Tod ihres Schützlings erfährt. Erst wenige Monate zuvor hatte sie Nummer 16 der Obhut einer Nachfolgerin überlassen. Die Falltürspinne ist allerdings nicht an Altersschwäche gestorben: Stattdessen weisen die Spuren auf eine parasitär lebende Wespe hin. Die hatte sich offenbar durch den Eingangsdeckel gefressen und ihre Eier in der betäubten Spinne abgelegt. - Die Larven hatten Nummer 16 von Innen aufgefressen.

Die Anteilnahme der Fachpresse ist riesig. Nicht nur Barbara York Main wird für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Auch Nummer 16 wird geehrt; für ihr - wie es heißt - "bedeutsames" 43 Jahre dauerndes Leben.


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