Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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28. August 1957 Strom Thurmond spricht 24 Stunden lang

Ein Filibuster ist typisch amerikanisch: Einfach so lange reden, bis der politische Gegner mürbe ist. Natürlich braucht es dafür eine gute Kondition - die hatte Strom Thurmond. Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 28.08.2017 | Archiv

28 August

Montag, 28. August 2017

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Ein Problem ist was Unerfreuliches. Deswegen will der Mensch es weghaben. Bloß: Je mehr Leute darüber nachdenken, wie man ein Problem wegbekommt, desto mehr völlig unterschiedliche Lösungen fallen ihnen ein. Da heißt es dann: miteinander reden. Am besten, bis man sich geeinigt hat. Und das kann dauern. Ziemlich lang sogar.

Filibuster oder: Ermüdungsrede

Besonders lang kann das dauern, wenn man Politiker ist. Und ganz besonders lang kann das dauern, wenn man Politiker im Senat der Vereinigten Staaten von Amerika ist.

Dort gibt es nämlich keine Beschränkung der Redezeit. Jeder Senator kann so lange reden wie er möchte. Er kann Gesetzestexte deklamieren. Er kann kapitelweise Bücher zitieren. Er kann auch, wenn er das sinnvoll findet, ein paar Kuchenrezepte seiner Großmutter vorlesen. Stundenlang kann der Mann reden, und die anderen müssen sich das anhören. Warum, fragt man sich, sollte ein Senator der Vereinigten Staaten von Amerika so etwas tun? Ganz einfach: So lange er redet, können die anderen Senatoren das neue Gesetz nicht verabschieden, gegen das unser Mann grad eine Rede hält. Die stundenlange Rede ist eine Verzögerungstaktik, der amerikanische Senat erlaubt so etwas, und es gibt dafür sogar einen eigenen Fachausdruck: "Filibuster".

Am 28. August 1957, abends um fünf vor neun, begann der Senator von South Carolina Strom Thurmond seinen Filibuster zum Thema "Wahlrecht für Farbige". Dieses Recht sollte in einem neuen Gesetz besser gegen Übergriffe der Weißen geschützt werden. Thurmond war dagegen. Er behauptete, die Sache sei in den einzelnen Bundesstaaten längst ausreichend geregelt. Um das zu beweisen, begann Thurmond damit, die Wahlgesetze aller 48 amerikanischen Bundesstaaten vorzulesen. Im Wortlaut, von Alabama bis Wyoming.

An dieser Stelle dämmerte es den Kollegen, dass Thurmond vor hatte, etwas länger zu reden.

Thurmond las außerdem aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, aus der "Bill of Rights", und aus George Washingtons Abschiedsrede. Er zitierte ausführlich aus einem Buch über Staatskunde und aus einem weiteren Werk über die Gerichtsbarkeit der Angelsachsen in England vor tausend Jahren. Ebenso ausführlich ging Senator Thurmond auf Fragen seiner Kollegen ein. Einige fragten ihn, was er da eigentlich grade vorlese. Sie hatten nebenan ein paar Stunden geschlafen und wollten nun wissen, worum es ging. Thurmond sprach engagiert und nur mit kurzen Pausen. Er sprach über Nacht, er sprach am Morgen, er sprach den ganzen nächsten Tag lang, bis in den Abend hinein. Nach 24 Stunden und 18 Minuten war Senator Thurmond mit seinen Ausführungen fertig und ging zurück auf seinen Platz.

Thurmond ist topfit

Die Kollegen und Pressevertreter waren erstaunt. Vor allem fragten sie sich, wie Thurmond es geschafft hatte, die ganze Zeit über nicht auf die Toilette zu müssen. Thurmond erklärte ihnen, er habe ein paar Saunagänge absolviert, damit sein Körper genügend Wasser aufnehmen konnte. Es hielt sich allerdings das Gerücht, er habe zusätzlich einen dieser praktischen Abwasserbeutel für lange Autofahrten unter seinen Anzug geschnallt.

Doch wie auch immer: Nur zwei Stunden, nachdem Senator Thurmond geendet hatte, stimmte der Senat - für das Gesetz. Der ganze Aufwand war vergebens. Thurmond selbst aber ist legendär geworden. Hat er doch mit seiner Rede den längsten Filibuster der amerikanischen Senatsgeschichte hingelegt. Ein Rekord, der bis heute ungebrochen ist.


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