Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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28. April 1893 Fahrradsteuer in Frankreich eingeführt

Es gibt fast nichts, was der findige Fiskus nicht besteuern könnte, und da ist Frankreichs Fahrradsteuer vom 28. April 1893 nur ein kleiner Glanzpunkt in einem ganzen Lichtermeer von Ideenblitzen.

Stand: 28.04.2011 | Archiv

28 April

Donnerstag, 28. April 2011

Autor: Christian Feldmann

Sprecher: Andreas Wimberger

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Über die rechtliche Stellung von Katern und Miezen gerieten sich neulich die Juristen in Gladbeck im Norden vom Ruhrpott in die Haare. Weil die Stadtkasse dort so klamm ist wie in den meisten deutschen Kommunen, brachten findige Gemeindebeamte eine Katzensteuer ins Gespräch; schließlich müssten die Hundebesitzer schon seit langem löhnen und eine Katze sei doch genauso ein Haustier, oder? Stimmt nicht, entgegneten Fachjuristen: Eine Katze gehöre rein formal niemandem, weil sie bekanntlich ein Freigänger sei.

Nochmal Glück gehabt! Dabei handelte es sich hier um eine vergleichsweise ziemlich harmlose und durchaus logisch klingende Idee städtischer Steuereintreiber. In ihrem Bestreben, auf Teufel komm raus Geld in Stadt- und Staatskassen zu pumpen und alles zu besteuern, was Bürgern Freude macht, kamen die Fiskus-Beamten schon auf die verrücktesten Einfälle.

Ihr großes Vorbild ist wohl Zar Peter I. von Russland: 1698 belegte er alle Bartträger in seinem Reich mit einer - nach Einkommen gestaffelten - Bartsteuer. Hofbeamte zahlten beispielsweise 60 Rubel, Kaufleute 100 Rubel. Der Zar hatte allerdings noch ein ganz besonderes Motiv: Bärte galten ihm als Zeichen einer altmodischen Geisteshaltung, und bei Empfängen am Moskauer Hof schnitt er gern eigenhändig konservativen Würdenträgern ihre Manneszierde ab, oder er beauftragte seinen Hofnarren damit. Und natürlich setzte er darauf, dass viele sparsame Russen lieber auf ihren Bart verzichten würden, als jedes Jahr die hohe Steuer zu zahlen.

Erbitterter Widerstand gegen die Bart-ab-Politik des Zaren kam von den russisch-orthodoxen Fundis, den "Altgläubigen", Raskolniki, wie man sie damals nannte. Für sie war ein bartloser Mann eine Verhöhnung des Schöpfers; der hatte den Menschen schließlich nach seinem Bild geschaffen, und die Raskolniki waren sich sicher, dass Gott einen wunderschönen Bart hatte. Deshalb versuchten sie ihr abgeschnittenes Barthaar wenigstens für das Jenseits zu retten, und so ließen sie es sich nach dem Tod in den Sarg legen, um beim Jüngsten Gericht ihre Glaubenstreue beweisen zu können.

In Deutschland gab es eine Leuchtmittelsteuer auf den Verbrauch von Kerzenwachs, in Preußen eine Perückensteuer, in Österreich eine nach Quadratmetern berechnete Dachsteuer, in vielen Ländern eine Zündholzsteuer - gegen die sich die Industrie wehrte, indem sie Streichhölzer mit zwei Zündköpfen und einen "Streichholz-Spaltapparat" anbot. Man erfand eine Papiersteuer, eine Salzsteuer, eine Speiseeissteuer; in Bayern wurde die erst 1972 abgeschafft.

Frankreich führte am 29. April 1893 eine Fahrradsteuer ein, wie sie auch in Italien und Deutschland erhoben wurde. In Berlin mussten Anfang des 18. Jahrhunderts unverheiratete Frauen zwischen 20 und 40 Jahren eine Jungfernsteuer zahlen - zwei Groschen pro Monat. Und Herzog Karl Eugen von Württemberg hatte 1789 eine fabelhafte Idee, um die Saaten auf den Feldern vor Vogelschwärmen zu schützen: Jeder Untertan - keineswegs nur Bauern und Landarbeiter!-, jeder Untertan musste pro Jahr zwölf lebende Spatzen fangen und bei den Behörden abliefern, dafür bekam er sechs Kreuzer. Wer keine Vögel brachte, hatte hingegen zwölf Kreuzer "Spatzensteuer" zu zahlen.

Die Stadt Köln macht derweilen mit einer etwas anrüchigen Steuer seit 2004 beste Erfahrungen. Prostituierten und Bordellbetreibern knöpft sie eine Steuer "für die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bars, (...) Clubs oder Kraftfahrzeugen" ab, wie es im rheinischen Amtsdeutsch heißt, sechs Euro pro Arbeitstag und Mädel. Im Jahr 2009 hat die "Sexsteuer" der Stadt immerhin Einnahmen in Höhe von 800.000 Euro beschert.


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