Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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27. Januar 1991 Boris Becker Nr. 1 der Tennis-Weltrangliste

Als Wunderkind von Wimbledon hatte Boris Becker die Tennis-Weltranglisten-Spitze plötzlich dicht vor Augen. Doch es kamen Jahre voll Verletzungspech. Am 27. Januar 1991 winkte endlich die nächste Chance. Australien Open - der Endspiel-Krimi Becker - Lendl machte alles klar.

Stand: 27.01.2011 | Archiv

27 Januar

Donnerstag, 27. Januar 2011

Autorin: Kirsten Zesewitz

Sprecher: Andreas Wimberger

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Das Leben eines sportlich aktiven Menschen wird bestimmt durch: Punktekonten, Tabellen und Ranglisten. Nehmen wir das Tennisspiel. Da kann man noch so viele Daviscups und Wimbledon-Teller erobert haben - entscheidend für das Ansehen eines Spielers ist sein Platz auf der Weltrangliste. Welt-rang-liste. Ein mächtiges Wort. Wer hier ganz oben steht, darf sich "bester Tennisspieler der Welt" nennen. Und das ... sei ein "tierisch geiles Gefühl", so Tennis-Profi Boris Becker.

Becker ist 18, als er 1986 den Spitzenplatz direkt vor Augen hat: "Bum-Bum-Boris" nennt die Presse den Zweitplatzierten: ein Milchgesicht mit rot-blonden Haaren, das mit unverfrorenen 17 Jahren den heiligen Rasen von Wimbledon erobert hatte. Die Weltranglistenspitze scheint zum Greifen nah, aber Becker bremst ab: Man müsse "im Kopf bereit sein, die Nummer eins auch anzunehmen", gesteht er. "Der richtige Champ" sei "verpflichtet, mehr zu leisten als die anderen ..."

"Ich möchte der beste Becker sein, den es gibt", verspricht er dem Tennisvolk. Aber vor dem Gipfel steht die Mühsal des Anstiegs: Becker verletzt sich, sinkt die Ränge hinab: Vierter, Sechster, Achter - das Ziel scheint ferner denn je. Aber der Mann ist zäh. Platz für Platz arbeitet er sich nach oben, führt das deutsche Team 1989 zum Sieg im Davis-cup - und die Nation in den kollektiven Tennis-Himmel. Jetzt! Jetzt könne er es schaffen, jubeln die Clubstammtische: Bobele ist wieder da!

Ein Jahr später - in Osteuropa fallen die Mauern - ist Boris Becker tatsächlich wieder da: zurück auf der Weltrangliste, wo er drei Jahre zuvor schon einmal gestanden hatte: auf Platz zwei ... Irgendwann werde er sie schon knacken, die Weltranglistenspitze, prophezeien Deutschlands Tennis-Experten: Bei Boris sei eben alles eine Frage der mentalen Einstellung. Die - also seine mentale Einstellung - ist im Frühjahr der Wieder-vereinigung allerdings desolater denn je: "Wie kriege ich es hin, die Nummer eins zu werden?" ächzt das Wunderkind. Ein einziges Mal solle "dieser verdammte Weltranglistencomputer" ihn - Boris Becker! - als ersten ausspucken!

Nun ist die Geschichte voll enttäuschter Helden: Maler, die daran verzweifeln, das perfekte Bild zu erschaffen; Musiker, die wie besessen dem göttlichen Klang nachjagen; Entdecker, die den heiligen Gral nie finden werden ... Aber wenn es einen Tennisgott gibt, muss er es sein, der Boris Becker am 27. Januar 1991 die Chance seines Lebens gibt: Das Finale der Australian Open. Wenn er hier siegt, wird der Computer tatsächlich ihn, Boris Becker, als Weltranglistenersten ausspucken.

Aber Becker hat Probleme: Er greift sich an den Rücken, zieht das Knie zur Brust: sollte ihn ausgerechnet an diesem Tag sein Körper im Stich lassen? Ein weiteres As von Gegner Ivan Lendl: 1: 6 ... Boris, Boris! hallt es von den Rängen. Come on, Boris! Boooris! Aufschlag ... As. Becker greift an: Punktet. 6:4, 6:4 - die nächsten beiden Sät-ze gehen an den Deutschen. Vierter Satz: Wenn Becker den gewinnt ... Es steht 5:4, Aufschlag Lendl: ins Netz. Nun brüllt niemand mehr, absolute Stille: Zweiter Aufschlag. Becker retourniert - unhaltbar.

Es ist müßig, den Jubel zu beschreiben, die hoch gerissen Arme und wilden Sprünge: Boris Becker ist da angekommen, wo er immer hin wollte: Drei Wochen lang wird sein Name ganz oben auf der Weltrangliste stehen, dann erobert ein anderer den Spitzenplatz. Aber: Letzten Endes ist es auch nicht wichtig, wie lange man auf dem Gipfel war, sondern dass man einmal ganz oben stand.


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