Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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24. September 1739 Potemkin geboren, virtueller Dorfbauer

Er war nicht nur der legendäre Baumeister der Potemkinschen Dörfer, sondern auch Liebhaber und heimlicher Mitregent der Zarin Katharina der Großen. Grigorij Potemkin wurde am 24. September 1739 in eine mittellose Familie geboren und erlebte einen kometenhaften Aufstieg am Hof Katharinas.

Stand: 24.09.2010 | Archiv

24 September

Freitag, 24. September 2010

Autor(in): Petra Herrmann

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Potemkin, richtiger: Patjómkin ... Ja, genau, einer von den Namen, die einem irgendetwas sagen ... Richtig! Die Potemkinschen Dörfer. Bekanntlich heißen sie so, weil ein gewisser Herr Potemkin sie gebaut hat. Er tat dies erstaunlich rasch, aber leider nur in Form von Attrappen und zwar ausschließlich entlang der Reisestrecke Ihrer Majestät, der Zarin Katharina II., der Großen. Dieses denkwürdige Ereignis fand im Jahre 1787 statt - wenn´s wahr ist. Potemkin habe damit einfach angeben und seine Verdienste um die Besiedelung Südrusslands herauskehren wollen, sagten die Zeitgenossen. Moderne Historiker haben Zweifel an der ganzen Geschichte.

Tatsächlich hatte Fürst Grigorij Potemkin - den Fürstentitel hatte er 1776 bekommen - solche Mätzchen zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr nötig. Er, der am 24. September 1739 in einem kleinen Ort bei Smolensk zur Welt gekommen und als junger Mann völlig mittellos nach Moskau gekommen war, hielt sich da schon seit 14 Jahren als unbestrittener Liebling der Zarin; und das, obwohl er keinen bekannten Namen trug und als einfacher Soldat in ein Gardekavallerie-Regiment hatte eintreten müssen. Glücklicherweise verfügte Katharina über einen ziemlich unvoreingenommenen Blick für Männer, und Potemkin fiel ihr auf, als er sich nämlich erdreistete, ihren Akzent – sie kam aus einem kleinen deutschen Fürstentum – in großer Gesellschaft trefflich nachzuahmen. Die Zarin nahm es mit Humor, Potemkin amüsierte sie. Er war in der Tat ein ungewöhnlicher Mann: Sehr groß, sehr begabt und sehr leidenschaftlich. Und als die Zarin mal wieder einen ihrer Liebhaber satt hatte, ließ sie Potemkin rufen, um ihn offiziell in das Amt ihres Favoriten einzuführen.

Diese höchst persönlichen Ernennungen erfolgten stets nach einem gewissen Reglement. Ein junger Offizier, der Katharina gefiel, musste sich zunächst einer Untersuchung durch ihren Leibarzt, Dr. Rogerson, unterziehen. Dann wurde er Katharinas vertrauter Hofdame, der Gräfin Bruce, zugeteilt, die die Zarin über die intimen Qualitäten des Aspiranten informierte. Hatte er diese beiden Tests bestanden, wurde er zum persönlichen Generaladjutanten Ihrer Kaiserlichen Majestät ernannt und in seine Gemächer geführt, die durch eine geheime Treppe mit den darüber liegenden Räumen Katharinas verbunden waren. Er fand eine Bestallungssumme von 10.000 bis 20.000 Rubeln vor, bekam ein monatliches Gehalt und dazu für gewöhnlich ein Gut mit mehreren hundert Leibeigenen.

Potemkin allerdings überging sowohl Dr. Rogerson als auch Gräfin Bruce und überzeugte die Herrscherin im Sturm davon, dass er ihre Erwartungen aufs schönste zu erfüllen vermochte. Grigorij wurde zunächst einmal reich – und dann weit mehr als ein Favorit. Er stieg zum heimlichen Mitregenten auf und blieb es auch, als er nach zwei Jahren seine Leidenschaft merklich zu zügeln begann. Katharina bedauerte seinen Rückzug tief, nahm es ihm aber nicht übel.
Und es gelang Potemkin sogar, seinen Nachfolger zu bestimmen. Dieses Privileg, nebst einem Vermögen von 50 Millionen Rubeln, erhielt sich Potemkin bis an sein Ende, das ihn ziemlich früh ereilte, mit nur 52 Jahren.

Beinahe 20 Jahre lang war er in Russland der erste Mann im Staate gewesen und hatte dabei nicht nur Liebe, sondern auch viel Politik gemacht. Ob er seine Potemkinschen Dörfer wirklich gebaut hat, wird heute bezweifelt. Gesichert ist hingegen, dass er mehrere richtige Städte gründete, für Russland die Krim eroberte und die Schwarzmeerflotte aufbaute. Und Katharina? Sie hat an alles, was Potemkin tat, geglaubt. Noch Jahre nach seinem Tod soll sie oft vor sich hingesagt haben: "Auf wen kann ich mich jetzt noch verlassen?"


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