Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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17. Januar 1979 Erster Smogalarm in Deutschland

Von den notorischen Dunstglocken über dem Ruhrgebiet bis zum ersten Smogalarm Deutschlands dauerte es lange - bis zum 17. Januar 1979. Inzwischen war man sich nicht mehr sicher, ob die häufigen Todesfälle bei stabilen Inversionswetterlagen alle auf das Konto von Grippewellen gingen.

Stand: 17.01.2011 | Archiv

17 Januar

Montag, 17. Januar 2011

Autor: Hellmuth Nordwig

Sprecher: Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Was Friedhelm Farthmann wohl an jenem Abend durch den Kopf gegangen ist? Als eingefleischter Sozialdemokrat hat er vielleicht an Brecht gedacht: Stell dir vor, es ist Smogalarm - und keiner kümmert sich drum! Dass es so kommen würde, konnte der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen am Morgen des 17. Januar 1979 freilich noch nicht ahnen. Seit fünf Uhr morgens hatten die Messstellen dicke Luft im westlichen Ruhrgebiet gemeldet. Eigentlich nichts Neues im Land der Hochöfen. Doch dieses Mal versprach die Dunstglocke zu bleiben - denn über Duisburg, Essen und Mülheim lag eine stabile Inversionswetterlage. Farthmann tat also, wozu er nach einer neuen Verordnung seines Bundeslandes verpflichtet war: Er rief Smogalarm aus, Stufe eins. Zum ersten Mal in Deutschland.

Um 9.45 Uhr unterbrach der WDR sein Programm und erklärte den Hörern, dass sie ab sofort auf unnötige Autofahrten verzichten sollten. Zur Sicherheit verlasen Sprecher die Durchsage auch auf Türkisch, Spanisch, Griechisch und "Jugoslawisch", wie man damals noch sagen durfte. Allerdings: Ob eine Autofahrt notwendig war oder nicht, das konnte jeder selbst entscheiden. Verboten war es bei der Alarmstufe eins nämlich nur, Gartenabfälle zu verbrennen.

Zur Smog-Verordnung hatten sich die Düsseldorfer Landesväter lange Zeit nicht durchringen können. Denn wer konnte schon sicher sagen, ob die aggressive Mischung aus Schwefel- und Stickoxiden wirklich krank macht oder gar Menschen umbringt? Selbst die smog-gestählte Londoner Stadtverwaltung hatte ja verlauten lassen, die 12.000 Toten des Winters 1952/53 seien ganz bestimmt nur einer Grippe zum Opfer gefallen - obwohl man in der britischen Hauptstadt damals Wochen lang kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Schuld waren Rauch und Nebel, "smoke" und "fog", was die Engländer sprachlich kurzerhand zu Smog eindampften. Zehn Jahre später war es im Ruhrgebiet soweit: Zwar waberte nicht ganz so dicke Luft durch Wanne-Eickels Straßen wie in London, aber dieses Mal schlugen Ärzte Alarm: Die Smogperiode 1962 habe 150 Menschen das Leben gekostet, meldeten die Experten kurze Zeit später an die Landesregierung im smogfreien Düsseldorf.

Gut zehn Jahre brauchten die Politiker für die erste Smog-Verordnung. Sie war nicht die letzte, denn die Grenzwerte wurden immer weiter verschärft. So auch 1985, sechs Jahre nach dem ersten Smogalarm. Und nun ging es richtig zur Sache: Die neueste Verordnung war gerade einen Tag in Kraft, da rief Friedhelm Farthmann, immer noch Gesundheitsminister, sofort die Alarmstufe drei aus. Und das bedeutete: Fahrverbot für alle, Schulen und Kindergärten wurden geschlossen, Kokereien und Hochöfen stellten den Betrieb ein - die ganze Region zwischen Duisburg und Dortmund stand still, zwei volle Tage lang.

Im Januar 1979 war davon noch keine Rede. Was viele Ruhrpott-Bewohner damals über die Smogwarnung dachten, hielt ein eifriger Beamter im Rathaus von Oberhausen fest. Dort beschwerte sich ein Bürger mit den Worten: "Was soll der Quatsch? Hier stinkt‘s doch immer!" Andere ließen den Motor ihres Autos schön im Stand warmlaufen, wie jeden Tag, und auch die Polizei registrierte normalen Verkehr. Nicht mehr und vor allem nicht weniger. Als sich dann am späten Nachmittag ein Lüftchen regte, hob Friedhelm Farthmann den Alarm wieder auf. Er war völlig wirkungslos geblieben.


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