Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. August 2006 Alfredo Strössner gestorben, Diktator

Alfredo Strössner gab als Diktator Paraguays dem KZ-Arzt Josef Mengele das Bürgerrecht, ließ zahllose politische Feinde umbringen und wurde vom Westen lange als wackerer Antikommunist hofiert. Er starb am 16. August 2006.

Stand: 16.08.2012 | Archiv

16 August

Donnerstag, 16. August 2012

Autor(in): Anne Herrberg

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz

Blonder Messias, eiskalter Stratege, faschistisches Monster - Alfredo Stroessner hatte viele Namen und viele Gesichter. Die deutsche Botschaft schrieb 1962 über den damaligen Präsidenten von Paraguay: "Katholik und Antikommunist, Charakter vereint bayrische Gelassenheit mit preußischem Dynamismus."

Und so hatte sich Bundespräsident Heinrich Lübke sicher nichts Böses dabei gedacht, als er Stroessner Anfang der 60er-Jahre nach Deutschland einlud. Den Sohn eines nach Südamerika ausgewanderten Bierbrauers aus Franken, der es nun in der Welt zu etwas gebracht hatte. Zwar galt er nicht als lupenreiner Demokrat - doch ein bayrisch-preußisches Bollwerk gegen den Kommunismus, dazu im Herzen Südamerikas - das kam zu Zeiten der Kuba-Krise im gesamten Westen gut an.

Verschwunden in schlammbraunen Gewässern

Trotzdem kam das Treffen nicht zustande, denn kurz davor löste Alfredo Strössner eine handfeste diplomatische Krise aus, indem sein Regime einem gewissen Josef Mengele die Staatsbürgerschaft erteilte; auch bekannt als ehemaliger Lagerarzt im KZ Auschwitz. Und Mengele war nicht der einzige Alt-Nazi der in Paraguay Unterschlupf fand.

Stroessner selbst kümmerte die Affäre Mengele wenig. Er saß fest im Sattel. 1954, mit nur 40 Jahren, putschte er sich nach einer Blitzkarriere im Militär an die Macht - und regierte 35 Jahre. Damit hält Alfredo Stroessner den absoluten Rekord unter den Militärdiktatoren Südamerikas.

Seiner Herrschaft vorausgegangen war ein Jahrhundert voll irrwitziger Kriege und Bürgerkriege. Paraguays Bevölkerung war verarmt und ausgelaugt - das wusste der blonde General zu nutzen. Ein Portrait von ihm hing von nun an in jedem Büro gleich neben Jesus. Für Regimegetreue regnete es Geschenke und Staatsposten, politische Gegner wurden eiskalt aus dem Weg geräumt.

Fast 20.000 der fünf Millionen Paraguayos damals verschwanden hinter Gittern, in Konzentrationslagern, oder wurden gleich aus Flugzeugen über den schlammbraunen Gewässern des Paraná-Flusses abgeworfen.

Deutsche Tugenden

Doch was war mit dem "Traum seines Lebens", dem Besuch im Land seiner Väter?    Mit rund 60 Vettern und Freunden im Gefolge, nahm der General schließlich doch noch Kurs auf die Bundesrepublik - allerdings schrieb man bereits das Jahr 1973. Die Regierung in Bonn hatte gewechselt und setzte auf Entspannungspolitik. So war man am Rhein heilfroh, dass der Diktator von sich aus einen großen Bogen um die Hauptstadt machte. Das CSU-Komitee, das ihn in München empfing, ging mit der Visite wesentlich lockerer um. In mit Gold besetzter Uniform durfte der Diktator dort stolz verkünden: Arbeitsfreude, Disziplin und Pünktlichkeit - es seien deutsche Tugenden, mit denen er sein Land regiere. Danach gab es fränkischen Lammrücken, Schnaps und den bayrischen Verdienstorden.

 Erst Ende der 80er Jahre geraten die Stützen des Regimes ins Wanken: Wirtschaftskrisen stoppen den Geldfluss, die Militärjuntas der Nachbarländer haben abgedankt, und auch die USA geben immer weniger Rückhalt. 1989 wird Stroessner gestürzt und muss ins brasilianische Exil. Dort stirbt der Dinosaurier unter den Diktatoren, am 16. August 2006, an einer Lungenentzündung: 93 Jahre alt, auf einer luxuriösen Hacienda.

Seiner Familie vererbte er beträchtliche fünf Milliarden Dollar - und den Namen. Ironie der Geschichte: Alfredo Stroessner nennt sich sein Enkel, der heute Politiker und Inhaber einer der größten Immobilienfirmen des Landes ist. In seinem Büro hängen Jesus, zahlreiche Auszeichnungen von US-Universitäten und ein bayrischer Verdienstorden von Anno 1973.


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