Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. März 1244 Die Katharer ergeben sich

Sie wollten das Christentum von kirchlichen Machansprüchen reinigen, kannten aber selbst keine tröstliche Welt. Dem begeisterten Zulauf, den die Katharer trotzdem hatten, machte die Kirche ein brutales Ende. Am 16. März 1244 ergaben sich die Katharer in der Bergfestung Montsegur.

Stand: 16.03.2011 | Archiv

16 März

Mittwoch, 16. März 2011

Autor: Christian Feldmann

Sprecher: Hans-Jürgen Stocker

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Es ist ein mystischer Ort von atemberaubendem Zauber, die Ruine der Burg Montségur im südfranzösischen Languedoc, nahe den Pyrenäen. Wie ein Adlernest thront die Bergfestung in 1.200 Meter Höhe auf dem schmalen Grat eines Felsgipfels. Fast unzugängliche Steilhänge ragen auf allen Seiten in die Tiefe.

In dieser Felsenburg, dem Himmel nah, leistete einst ein Häuflein Ketzer - Katharer - unterstützt von 150 Soldaten und Rittern aus der Umgebung, einer 6.000 Mann starken Belagerungsarmee des französischen Königs einen aberwitzigen Widerstand. Am 16. März 1244 mussten sich die Belagerten ergeben. Kein einziger schwor seiner Überzeugung ab. 225 Katharer wurden verbrannt; angeblich stürzten sie sich fröhlich singend in die Flammen des Scheiterhaufens.

In der Nacht vor der Kapitulation war es vier Burgbewohnern gelungen, sich in einem halsbrecherischen Unternehmen von den Zinnen abzuseilen, den Ring der Belagerer zu überwinden und den größten Schatz der Ketzergemeinde in Sicherheit zu bringen. Das sei der heilige Gral gewesen, der Abendmahlskelch mit dem Blut Christi, raunten alte Legenden und im letzten Jahrhundert ein esoterischer Autor namens Otto Rahn. Der forschte als SS-Untersturmführer für den mystisch angehauchten Heinrich Himmler und behauptete, die Gralsburg im Parzival-Epos sei die Festung Montségur gewesen.

Was natürlich Humbug ist, denn die Verfasser der Gralsepen lebten nicht im Languedoc, sondern in Nordfrankreich und Flandern, und nirgendwo in den Schriften der Katharer ist der heilige Gral erwähnt. Aber wenn es um Ketzer, Häretiker, Armutsprediger geht, blühen die Mythen und Spekulationen. Friedliche Blumenkinder sollen sie gewesen sein, von lauterer Gesinnung und voll interessanter Ideen, Träumer von einer gerechten Welt und einer Kirche, die zu den idealen Anfängen des Evangeliums zurückkehrt. Ihre Gegner: sturgeistlose, machtbesessene, blutgierige Kirchenfürsten und Prälaten, verkommen und verhurt.

Was nicht ganz falsch ist, aber auf jeden Fall nicht so simpel funktioniert. Reformgruppen gab es auch in der Großkirche, Orden wie die Franziskaner, Zisterzienser, Jesuiten starteten als Reformbewegungen mit großem Elan. Als die Katharer, die sich im 12. Jahrhundert im Rheinland, in Südfrankreich und Oberitalien ausbreiteten, mit ihrem einfachen Lebensstil die Herzen der kleinen Leute gewannen, schickten ihnen die Päpste nicht gleich Kreuzfahrerheere entgegen, sondern Prediger aus dem neu gegründeten Dominikanerorden, die ebenfalls sehr bescheiden lebten und die theologische Diskussion suchten.

Und da machten die Katharer gar keine so gute Figur. Gewiss, sie reinigten das Christentum von Machtansprüchen und kriegerischen Eroberungsphantasien, aber zugleich auch von Sinnlichkeit und menschlicher Wärme. Wer nach einer Art Noviziat die "Geisttaufe" per Handauflegung empfangen hatte, durfte nicht heiraten, musste auf jede Form von Erotik verzichten. Schwerkranke oder Sterbende, die sich für die Geisttaufe entschieden, von denen aber keine asketische Lebensleistung mehr zu erwarten war, konnten ihre Seele retten, indem sie keine Nahrung mehr zu sich nahmen und so schlicht und einfach verhungerten. Frauen galten als minderwertig, sie wurden zur Geisttaufe zugelassen, aber man deckte ein Tuch über sie, um sie bei der Handauflegung nicht berühren zu müssen. Und starb eine getaufte Frau, so löste sich die Seele erleichtert von ihrem sündhaften Körper und wurde zu einem Mann. Nein, die Freiheit und Humanität hatten die Katharer weiß Gott nicht gepachtet.

Das kommt davon, wenn man die Welt, die Materie für abgrundtief schlecht hält und sich von allen irdischen Freuden frei machen will.


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