Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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14. Dezember 1962 Erste Intershops in der DDR

Intershops waren die real existierenden Löcher in der Mauer zwischen Deutschland Ost und West. Als am 14. Dezember 1962 die staatliche Organisation Intershop gegründet wurde, wehte ein Hauch von Westen in die DDR und wurde zum ständigen Begleiter des Sozialismus.

Stand: 14.12.2010 | Archiv

14 Dezember

Dienstag, 14. Dezember 2010

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Luxus war in der DDR offiziell verpönt. In der angeblich klassenlosen Gesellschaft war für jeden gleichermaßen gesorgt. Und doch leistete sich der Sozialismus kleine kapitalistische Paradiesinseln inmitten von Planerfüllung und Plattenbau: Hotels, Fluglinien und Shops. Die Vorsilbe "Inter-" wurde populär: Interhotel, Interflug, Intershop. Die "Inter"-Unternehmen atmeten den Duft der großen weiten Welt - ins Leben gerufen, um dem notorisch am Rande des Bankrotts vor sich hindümpelnden Land harte Devisen zu verschaffen. Für die Menschen im Osten war "inter" zumeist gleichbedeutend mit: "verbotenem Gelände".

Nachdem am 14. Dezember 1962 die staatliche Organisation Intershop gegründet worden war, trieb das Geschäft mit der Westmark bald milliardenschwere Blüten. Schokolade, Seife, Zigaretten, Parfum. Der Laden mit dem geschwungenen Schriftzug besaß weder Schaufenster noch Auslage und war von der Straße aus nicht einsehbar. Milchglas schirmte Kaugummis, Matchbox-Autos, Nylonstrümpfe und Bluejeans von der Außenwelt ab. Die Intershop-Kette roch nach Irischem Frühling, Weißem Riesen und Jacobs Kaffee. Und immer, wenn sich die Eingangstür hinter einem West-Berliner oder einem Transit-Reisenden schloss, drang ein kleiner Schwall herrlich duftenden Westens in den Arbeiter- und Bauernstaat. Nie zuvor waren die Klassengegensätze zwischen Habenichtsen und Devisenbesitzern größer - immer werktags zwischen acht und 22 Uhr, stundenweise sogar am Wochenende.

Die landesweiten Versorgungseinrichtungen an Grenzübergangsstellen, Autobahnraststätten und Bahnhöfen spaltete die Bevölkerung: in einen privilegierten Teil mit West-Verwandtschaft und einen benachteiligten Teil, der weit und breit keine West-Tanten auftreiben konnte. Böse war der Witz vom Volkspolizisten, der über den Inter-Tresen springt und dort um politisches Asyl bittet. Bald gab es die ersten bewaffneten Überfälle. Manchmal waren die Täter die eigenen Angestellten und sogar Filialleiter. Peinlich, peinlich!

Um die fragwürdige Existenz der Devisenläden zu rechtfertigen, argumentierte sich das Politbüro um Kopf und Kragen: Man müsse doch "einem West-Touristen, der sich die Hose zerrissen habe, die Möglichkeit geben, sich eine neue zu kaufen!" Und Genosse Erich Honecker versicherte, Intershops seien selbstverständlich "kein ständiger Begleiter des Sozialismus." Das änderte freilich nichts an der harten Valuta-Realität: Intershops waren sozusagen ein real existierendes Loch in der Mauer, besonders nachdem der Zugang sich Mitte der 70er auch für DDR-Bürger geöffnet hatte, die im Besitz von Westgeld waren. Die Kassiererinnen wurden angewiesen, kleine Summen Wechselgeld in Kaugummis auszuzahlen.

Anders als vom Staatsratvorsitzenden Honecker geplant, sind Intershops dann doch ein ständiger Begleiter des DDR-Alltags geworden. Die Bankrotterklärung kam erst mit der Währungsunion von 1990: Drei Jahrzehnte Schattenwirtschaft und das erfolgreichste Label der DDR waren am Ende. Oder doch nicht so ganz: Im sogenannten "Intershop 2000" treffen sich heute Ossis wie Wessis, um Ostprodukte zu bestaunen. Mit Wehmut betrachten die Ostalgiker FDJ-Hemden, Pionierhalstücher, Sandmännchen-Figuren und Mitropa-Geschirr aus deutsch-demokratischer Zeit. Das eigenwillige Design liegt voll im Retro-Trend. Wiedersehen macht eben Freude. 


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