Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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13. Oktober 1975 Erste regelmäßige Ausgabe von Yps

Das Spion-Fernglas, das um die Ecke schauen kann. Die Gelddruckmaschine. Den Urzeitkrebs. All das haben Kinder gehabt, weil ein Jugendmagazin beschlossen hatte: Junge Leser brauchen Gimmicks. Autorin: Susi Weichselbaumer

Stand: 13.10.2017 | Archiv

13 Oktober

Freitag, 13. Oktober 2017

Autor(in): Susi Weichselbaumer

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wesentliche Weisheit jedes Klassentreffens: Weil alle gleich alt waren, sind alle gleich alt geworden. Zeit ist relativ. Alter ergo Ansichtssache. Bestes Beispiel: Urzeitkrebse. Urzeitkrebse sterben häufig unfreiwillig jung. Totzukriegen sind sie nicht. Für diese Volte der Evolution verantwortlich ist ein Comicheft namens Yps. Am 13. Oktober 1975 erscheint es zum ersten Mal in Deutschland. Und es hat neben Lucky Luke oder Pif und Herkules oder diesem Känguru, dessen Namen man jedes Mal wieder vergessen hat, neben diesen Bildergeschichten hat das Heft – eingeschweißt in durchsichtige Plastikhülle – ein Gimmick dabei. Eine Dreingabe. Besonderheit. Kaufanreiz. Urzeitkrebse. Zum Beispiel. In abenteuerlich bunten Tütchen –  eben als Geschenk zum Comicmagazin. Eigentlich stammen sie aus Läden für Anglerbedarf und sollen mal Lebendfutter werden für Zierfische. Die Yps-Macher schreiben für die Eltern was von wegen erste Haustiere und selber züchten und Verantwortung übernehmen mit dazu. Den Kindern gibt man an die Hand: Rein in einen halben Liter Wasser mit den Eiern, nach 24 Stunden winzige Larven begrüßen, in zwei, drei Wochen echte Urzeitkrebse bewundern.  

Aus die Maus im Urkrebshaus

Letzteres bleibt den meisten Yps-Lesern versagt. Wer das beiliegende Algenfutter zu flott verstreut, sorgt dafür, dass das Wasser umkippt. Für den Urzeitkrebs: Urknall. Licht aus. Erst mal. Insgesamt 22 Mal in all den Yps-Ausgabe-Jahren geben Urzeitkrebse das Gimmick. Damit sind sie laut Umfragen die beliebteste Beilage überhaupt. Knapp dahinter: Die klebrige Klatsch-Hand aus Glibber an einer Nylonschnur, die alles schnappt, woran Bedarf... Fernbedienung, Memory-Karte, Käsekräcker. Direkt proportional zu Staub und Kräckerkrummel nimmt alldieweil die Klebefreudigkeit der Klatsch-Hand ab.

Verhaltene Freuden

Insgesamt ist das mit der Freude an den Gimmicks so eine Sache. Getrübt freuen sich vorrangig Erwachsene. Jene etwa, die 1982 – und es sind jener damals nicht wenige – die Polizei alarmieren, um unbekannte Flugobjekte über Deutschland zu melden. Die UFOs entpuppen sich als Yps-Gimmick. Der sogenannte "Solar-Zeppelin" ist eine drei Meter lange Müllsack-Wurst, mit Luft befüllen, an beiden Seiten zuknoten, an einer Nylonschnur steigen lassen…

Andere Gimmicks kommen sozialverträglicher und politisch korrekter daher. Die Geld-Maschine druckt nette 10-Mark-Scheine, die sich von jedem Erwachsenen gut als Blüten erkennen lassen. Die Form für viereckige Eier beschert dem Nachwuchs Heim-und-Herd-Erfahrung. Dann sind die Eltern aber schon wieder empört. Die "Geisterpaste" lässt Gesichter im Dunklen fluoreszieren und raubt kleinen Geschwistern den Schlaf. Für große Schwestern und Brüder durchaus ein Kaufargument.

1999 jedoch gehen solche Argumente aus. Ein Konkurrenzverlag übernimmt Yps, kippt die bewährten Comicreihen aus dem Heft. Die Gimmicks? Naja, Agentenausweise kann man sich eigentlich selber malen. Ein Jahr später ist Schluss.

Da jedem Ende ein Anfang innewohnt, erscheint Yps ab 2012 wieder. Jetzt für ein erwachsenes Publikum. Die Gimmicks sind die aus der eigenen Leserkindheit: Urzeitkrebse. Solar-Zeppelin. Klatsch-Hand. Die Fliegenschreckpistole ist raus. Manches ändert sich im Laufe der Zeit eben doch. In diesem Sinne: So jung kommen wir nicht mehr zusammen.


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