Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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9. März 1566 David Rizzio ermordet, Mary Stuarts Geliebter

Die große Liebe steht mitunter nicht unter einem günstigen Stern. Manch Galan ist schneller mausetot, als er seine Laute zur Minne erheben kann. Ein anderer erreicht vielleicht die letzte Liebesliedstrophe, trifft damit aber nicht nur das Ohr der Ersehnten, sondern sorgt für Misstöne - bei deren Gatten. Autorin: Isabella Arcucci

Stand: 09.03.2015 | Archiv

09 März

Montag, 09. März 2015

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Rizzios Stimme war wie Samt. Sein Gesang und der Klang seines Lautenspiels spendeten der Königin Wärme in dem kalten Palastgemäuer von Holyroodhouse. Es war nicht nur das raue Klima Schottlands, das Mary Stuart zusetzte, sondern auch die Frostigkeit der Menschen, die sie umgaben. Da waren die protestantischen Frömmler, die gegen Mary und ihren katholischen Glauben hetzten. Und da war ihr eigener Mann, Henry Stuart, Lord Darnley. Nie hätte Mary geglaubt, dass sich hinter dem engelshaften Jünglingsgesicht solch ein Scheusal verbergen könnte. Der Charme, mit dem der gerade einmal 19-jährige Lord Darnley sie verzaubert hatte, war schon wenige Monate nach der Trauung verflogen. Übrig blieb ein eitler, selbstsüchtiger Grobian, dem es nie um seine vermeintliche Liebe zu Mary gegangen war, sondern einzig um die Krone,
die sie trug.

Heimweh nach Frankreichs duftenden Gärten

Noch als Säugling war Mary, die Halbwaise, zur Königin von Schottland gekrönt worden. Mit 5 Jahren hatte man die Kindkönigin zu ihrem Schutz nach Frankreich, in die Heimat ihrer Mutter geschickt. Doch nun, im Alter von 19 Jahren, war Mary in ihr Königreich Schottland zurückgekehrt - ein Land, dessen rau wirkende Sitten ihr völlig fremd waren. Ihr Sekretär, der gebildete Italiener David Rizzio, verstand nicht nur Marys Muttersprache Französisch, er war einer der wenigen Menschen am Hof, von denen sie sich überhaupt verstanden fühlte. Rizzios Musik weckte in Mary Erinnerungen an laue Sommerabende und die blühenden Rosenbüsche von Schloss Fontainbleau.

Doch flackerte da nicht auch ein lüsternes Verlangen in Rizzios dunklen Augen? Und war das Ehebett von Mary und Lord Darnley nicht viel zu lange schon kalt geblieben, um den Bauch zu erklären, der sich unter dem Busen der Königin rundete? Wie ein Raunen verbreitete sich das Gerücht von Marys Ehebruch im Palast und ließ die Zornesröte in Lord Darnleys hübsches Bubengesicht steigen.

Es war am Abend des 9. März 1566, einem jener Abende, die Mary in Gesellschaft ihrer engsten Hofdamen und Rizzio verbrachte, als plötzlich Lord Darnley und einige seiner Kumpane in das winzige Gemach stürzten. Es half nichts, dass die Königin sich schützend vor ihren Freund stellte. Darnley und seine Männer stießen die Schwangere zurück, richteten eine Pistole drohend auf ihren Bauch und packten den Italiener. Vor Marys Augen stachen sie mit  Messern auf Rizzio ein. 56 Mal.

Ein Sänger stirbt, ein König wird geboren

Bis heute wird vermutet, dass Lord Darnley nur ein Instrument und die wahren Drahtzieher des Mordes der protestantische Adel Schottlands und Elisabeth I. von England waren. Letztere fürchtete, dass Mary Stuart ihr die englische Krone rauben könnte. Ein Mord vor den Augen der schwangeren Mary hätte nicht nur eine Fehlgeburt bewirken können, sondern vielleicht sogar den Tod der Rivalin.

Doch falls Elisabeth I. tatsächlich diesen Plan hegte, so ging er nicht auf. Wenige Monate nach dem Mord brachte Mary einen gesunden Jungen zur Welt, der später als James VI. Schottland und England regieren würde. Mary sollte es nicht mehr erleben. Sie starb nach Verwicklungen und Intrigen unter dem Beil des Scharfrichters der englischen Königin. Der Mythos der Mary Stuart jedoch lebte weiter: in Dramen, Dichtung und Romanen.

Die Lieder des armen Rizzio hingegen sind für immer verstummt.


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