Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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8. Mai 1907 Bauarbeiten für das Strandbad Wannsee beginnen

Shorts und Bikini im Strandbad? Weit gefehlt, zumindest im Strandbad Wannsee ging es zu Anfang höchst gesittet zu. Damals traten die Berliner züchtig in knielangen Hosen und im hochgeschlossenen Badekostüm an den Beckenrand.

Stand: 08.05.2014 | Archiv

08 Mai

Donnerstag, 08. Mai 2014

Autor(in): Armin Strohmeyr

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Im Jahre 1951 sang die siebenjährige Cornelia Froboess ein Lied mit dem Titel "Pack die Badehose ein!" Der Schlager fand Hörer in ganz Deutschland, vor allem aber in Berlin. Denn im Text wird ausdrücklich dazu animiert, hinaus an den Wannsee zu radeln.

Doch die Anfänge des Bades mit seinem 1300 Meter langen Sandstrand waren abenteuerlich: In der Kaiserzeit galt das freie Baden als unsittlich. Fotos jener Zeit zeigen Gendarmen in Uniform und mit Pickelhaube, die verdutzten Schwimmern einen Strafzettel ausstellen. Aber die seit je unbelehrbaren Berliner ließen sich den Spaß nicht verbieten. Schließlich genehmigte die Verwaltung den Bau eines öffentlichen Strandbads. Am 8. Mai 1907 rückten Arbeiter an und errichteten Zäune und die ersten Hütten. Der feine märkische Sand lag schon parat. Erst in späteren Jahren wurde er durch importierten Sand aus Travemünde "veredelt".

Freund und Helfer beim Entkleiden

Anfangs wurden die Badenden von Moralaposteln beschimpft und mussten unter Polizeischutz die Hüllen fallen lassen. Doch bald badeten viele Tausende im Wannsee. Im Übrigen ging es peinlich gesittet zu: Dreiecksbadehosen waren verpönt, man hüllte sich bis zu den Knöcheln ein, und die Umkleiden befanden sich in blickdichten Zelten.

Die Zwanzigerjahre waren die große Zeit des Strandbads: Jährlich bis zu
1,3 Millionen Gäste wurden gezählt, nicht nur im Sommer. Auch im Winter kamen die Berliner: zum Schlittschuhlaufen, zur Eissegelregatta, und die Hartgesottenen zum Eisbaden. Der Berliner Magistrat beabsichtigte, ein pompöses Weltstadtbad zu bauen und beauftragte die Architekten Martin Wagner und Richard Ermisch mit den Planungen. In den folgenden Jahren entstand im Bauhaus-Stil ein über 500 Meter langer schicker Gebäudekomplex: doppelstöckige Hallen mit Garderoben, Toiletten, Restaurants und Wandelgängen.

Für die Nationalsozialisten war das Bad ein Hort freidenkerischer Subjekte, und so unterwanderten sie das Publikum mit Schlägertrupps der SA. Juden wurde der Besuch untersagt. Von Animateuren geleitete Gemeinschaftsgymnastik sollte auch am Wannsee den "Volkskörper" stählen. Doch selbst das tat der Beliebtheit des Strandbads keinen Abbruch. Während auf Berlin die Bomben fielen, konnte man sich am Wannsee noch immer der Illusion eines normalen Alltags hingeben.

Achtung Badende, Querschläger!

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam das Bad kurzzeitig durch einen nahegelegenen Schießstand der Amerikaner in Verruf. Mehrmals trafen Querschläger Badegäste. Und während Cornelia Froboess ihren Sommerschlager trällerte, polemisierte das Ost-Berliner Kabarett "Die Distel" gegen den Grunewald, wo die "Amiflinte knallt". Doch das waren nur kleine Wölkchen am blauen Himmel über Berlin.

Der Zahn der Zeit indes nagte an den denkmalgeschützten Gebäuden. Sie zerfielen, und immer mehr West-Berliner bevorzugten einen Urlaub jenseits der Mauer, im sonnigen Süden. Das Strandbad Wannsee bekam den Ruch des "Lidos der Armen".

Heute ist die "Badewanne der Berliner" saniert und damit wieder "in". An heißen Tagen gibt es erneut Warteschlangen vor den Kassen. Aber auch das gehört zum unverwechselbaren Flair des Strandbads Wannsee. Die Badehose indes muss man nicht mehr unbedingt einpacken: Es gibt auch einen FKK-Bereich.


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