Bayern 2 - Das Kalenderblatt


9

5. Januar 1757 Attentat auf Ludwig XV.

Er wusste zu viel. Das wurde Robert François Damiens, Diener in den Häusern französischer Politiker, zum Verhängnis. Am 5. Januar 1757 griff Damiens den König an. Ein harmloser Stich, doch die Rache war grausam.

Stand: 05.01.2015 | Archiv

05 Januar

Montag, 05. Januar 2015

Autor(in): Silke Wolfrum

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

Im Jahr 1757 schleicht ein Monster durch Versailles. Ein Irrer, ein politisch oder religiös Fanatisierter, ein "tollwütiger Hund", wie der Aufklärer Voltaire ihn nennt. Ein "verabscheuungswürdiges Monstrum erbrochen von einer tobenden Hölle" -
so ein französisches Volkslied. Am Morgen des 5. Januar 1757 - Ludwig XV. will gerade in seine Kutsche steigen - springt es hervor, bahnt sich einen Weg durch alle Bittsteller und sticht zu. Sticht zu um den geliebten König zu morden. Welch frevelhafte Tat! Doch wer waren seine Komplizen, wenn nicht der Teufel selbst?

Diener vieler Herren

So oder so ähnlich wird über 250 Jahre lang die Geschichte von Robert François Damiens erzählt. Die Geschichte eines einfachen Mannes, Diener in verschiedenen angesehenen Häusern von Paris, Ehemann und Vater einer hübschen Tochter. Ein paar Details, die nicht so recht in die Geschichte passen, werden dabei verschwiegen: Zum Beispiel, dass das Messer, mit dem Damiens den König in den Rücken stach, ein besseres Taschenmesser mit zwei Klingen war. Damiens benützte die kleinere davon und verletzte Ludwig XV. nur leicht. Damiens wollte den König nicht töten, sondern ihm nur einen Denkzettel erteilen. Und was sagte der König, kurz nachdem er angeblich beinahe ermordet wurde? "Da hat mir jemand einen furchtbaren Faustschlag verpasst!" Vielleicht wäre Damiens nicht allzu viel passiert, wäre ihm die Frage nach den Komplizen nicht zum bitteren Verhängnis geworden.

Die Pariser Parlamentarier fürchten nämlich, dass sie mit der Tat in Zusammenhang gebracht werden. Diente Damiens doch bei vielen von ihnen im Haushalt. Bisher herrschte Krieg zwischen dem König und dem Pariser Parlament, nun aber entdecken die Parlamentarier plötzlich ihre überschäumende Liebe für seine Majestät und bitten darum, dass sie selbst über den Königsattentäter richten dürfen; nicht das Parlament von Versailles, das eigentlich zuständig gewesen wäre. Der König erteilt tatsächlich eine Sondererlaubnis, und jetzt machen die Parlamentarier keine halben Sachen.

Damiens komplette Familie wird verhaftet, er selbst kommt ins Pariser Gefängnis und wird gefoltert. Seinen Wächtern ist es verboten das Gefängnis vor Ende des Prozesses zu verlassen. Als der dann stattfindet, darf Damiens auf sämtliche Fragen nur mit Ja oder Nein antworten. Was zum Teufel musste da denn so streng geheim gehalten werden?

Kinderhandel im Krankenhaus

Etwa dass der König pädophil war? Auch Damiens' Tochter - damals elfjährig - war schon grundlos von der Pariser Polizei aufgegriffen und verschleppt worden. Ihr Vater konnte sie seinerzeit jedoch zum Glück befreien. Oder dass das Hôpital général, ein Armenkrankenhaus, ein Zentrum des Kinderhandels war und dem Parlament unterstand? Oder einfach, dass der geliebte König doch gar nicht so geliebt war, sondern ein vergnügungssüchtiger Verschwender, der sein Volk hungern ließ.

Wir wissen es nicht. Was wir wissen und das bis ins Detail, ist, wie Damiens’ Hinrichtung verlief. Bespuckt und verhöhnt von einer schaulustigen Menge wurde er mitten in Paris, auf der Place de Grève, geschlachtet. Damiens erhielt, obwohl er kein Mörder war, die Höchststrafe. Dazu gehörte, unter anderen Gräueln, dass vier Pferde seinen Körper in Stücke zerrissen. Die echten Monster, das waren die anderen.


9