Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. Mai 1775 Alexander Cumming meldet Patent für Wasserklosett an

Die kleinen und großen Geschäfte einfach im Schlosspark erledigen? Pfui! War aber so, bis Alexander Cumming eine kulturelle Revolution einleitete. Autorin: Isabella Arcucci

Stand: 03.05.2017 | Archiv

03 Mai

Mittwoch, 03. Mai 2017

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Das Gemälde "Die Schaukel" von Jean-Honoré Fragonard zeigt ein sogenanntes "Schäferstündchen", eines jener erotischen Tête-à-têtes, wie sie sich im Barock- Rokoko tagtäglich im Schlosspark von Versailles abspielten. Eine schöne Dame schwingt auf einer Schaukel hoch in die Lüfte, ihr Verehrer liegt im Gras. Neckisch lupft die Dame im Schaukeln ihren rosa Reifrock und hebt ein weißbestrumpftes Bein. Ihr Galan ist von dem Anblick hingerissen. Damals trugen feine Damen keine Unterhosen…

"Kleine Geschäfte" hinter Rosenhecken

Doch wie ging jenes Schäferstündchen wohl weiter? Vermutlich so: die Dame springt anmutig von der Schaukel und entflieht kichernd in das Heckenrosenlabyrinth - ihr Kavalier hinterdrein. Sie versteckt sich hinter einem großen Busch, geht in die Hocke und…."Ah!" Ein Seufzer der Erleichterung. Die Dame hat ein kleines Geschäft verrichtet. Vielleicht auch ein Größeres. Wer könnte es ihr Verdenken? Derlei "Geschäfte", ob groß ob klein, wurden tagtäglich im Schlosspark von Versailles erledigt. Denn ab seiner Erbauung im 17. Jahrhundert bis zur Französischen Revolution herrschte im riesigen Schloss Versailles akuter Toilettennotstand. Die wenigen öffentlichen Aborte waren jeweils für zwei Personen ausgestattet – ohne Trennwand! Das störte die Schlossbewohner wohl weniger, umso mehr aber der Gestank! Wasserspülungen und Kanalisation gab es nicht, dafür Sickergruben, die regelmäßig überliefen. Die menschlichen Hinterlassenschaften drangen ins Mauerwerk und in die Fußböden der angrenzenden Appartements ein. Viele machten deshalb gleich woanders hin - zum Beispiel vor die Tür von Lieselotte von der Pfalz, der Schwägerin Ludwigs XIV.. Wie aus Lieselottes Briefen hervorgeht, überraschte sie vor ihren Flügeltüren regelmäßig pieselnde Damen und Herren. Nur dem König und den höchsten Adligen stand ein "Leibstuhl" zur Verfügung, mit Samt und Seide gepolstert und einem eingelassenen Topf in der Mitte. Ein Thron, auf dem  Ludwig XIV. gerne Berater empfing. Für diese war das, dank der königlichen Abgase, weniger entspannend, als für den Monarchen selbst.

Der Beginn einer kulturellen Revolution

Abhilfe schafften schließlich die Briten. Als Erfinder des Wasserklosetts gilt der schottische Uhrmacher Alexander Cumming, der diese segensreiche Konstruktion am 3. Mai 1775  patentieren ließ. Cummings Klosett verfügte, wie unsere modernen Toiletten, über ein S-förmiges Abflussrohr, das den Geruch einschloss und war der Beginn einer allmählichen kulturellen Revolution! An deren vorläufigen Ende stehen heute High-Tech-Klos mit Sitzheizung, Popodusche und: fest verriegelte Toilettenräume für ein Maximum an Privatsphäre!

Schade. Denn dadurch verschwand ein Stück menschlicher Kommunikation. Der alte Lebemann Duc de Vendôme beispielsweise, empfing Gäste ebenfalls gerne auf seinem Leibstuhl und machte sich einen Spaß daraus, sich vor ihren Augen den Hintern zu wischen. Der ehrgeizige italienische Abbé Giulio Alberoni reagierte auf diese Provokation geistesgegenwärtig und rief mit überzeugender Verzückung aus: "O culo d`angelo!" "Welch‘ Engels-Popo!" Der Duc de Vendôme war charmiert - und Alberoni machte dank ihm eine steile Karriere!


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