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Jörg Schüttauf liest Matthias Jügler: Maifliegenzeit

Seit Jahrzehnten lebt Hans im Glauben, sein Sohn Daniel sei unmittelbar nach der Geburt verstorben. Bis sich Daniel am Telefon meldet. Und Hans sich einer schmerzhaften Wahrheit stellen muss. „Wie ist es, mein Kind zu suchen“, fragt der Leipziger Schriftsteller Matthias Jügler. Dazu eine Lesung mit Jörg Schüttauf.

Stand: 12.04.2024

"An jenem Morgen aber packte mich plötzlich eine Wut, herb und schäumend. Ich trat den Spaten nicht mehr nur in die Erde, so wie ich es bisher gemacht hatte, sondern ich prügelte ihn förmlich hinein, ich drosch damit auf die Erde ein, mit all der Kraft, die ich damals als Fünfundzwanzigjähriger hatte. Ich saß sicher schon eine halbe Stunde vor dieser Grube, über den Gesang der Rotkehlchen legte sich das Rascheln der Buchenblätter, und plötzlich kam mir dieser stille Ort sehr laut vor. Ich begann zu weinen. Es war das erste Mal nach Daniels Tod, dass ich Tränen vergoss."

(aus: Matthias Jügler, Maifliegenzeit)

Hans – Mitte 60, gerade pensioniert – geht liebend gerne an den Fluss, an die Unstrut, im südlichen Sachsen-Anhalt. Er ist begeisterter Angler, von Kindesbeinen an. Und er trägt eine existentielle Erfahrung unter dem Herzen, die – im übertragenen Sinn – mit einem Fischen im Trüben verbunden ist. Starb sein Sohn wirklich unmittelbar nach der Geburt? Sind die Zweifel an der offiziellen Version, die Hans‘ Frau Katrin umgetrieben haben, vielleicht doch berechtigt? Wurde Daniel geraubt? Matthias Jüglers Figuren sind mit einer Geschichte voller Widersprüche konfrontiert.

Der Schriftsteller und Publizist Matthias Jügler – geboren 1984 in Halle/Saale und heute in Leipzig zu Hause – erzählt einmal mehr von den dunklen Schatten in der Geschichte der DDR. Seinem Roman „Maifliegenzeit“ liegt eine reale historische Begebenheit zugrunde – die Geschichte einer Frau, die bis heute nach ihrem für tot erklärten Kind sucht. „Diesen Dingen auf den Grund zu kommen, ist sehr schwierig“, sagt Matthias Jügler im Gespräch mit Bayern 2. Schauspieler Jörg Schüttauf liest in, in einer Produktion von MDR Kultur und in der Regie von Steffen Moratz aus Matthias Jüglers Roman, erschienen bei Penguin und als Hörbuch bei Buchfunk, zudem in der ARD Audiothek. Mit freundlicher Genehmigung der Verlage sind Lesung und Gespräch zu finden ab dem 12. April im „Bayern 2 Podcast Buchgefühl – reden und lesen“. Moderation: Niels Beintker.


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