Bayern 2

     

Zündfunk Detroit: Leben zwischen Ruine und Acker

Samstag, 11.05.2013
19:05 bis 20:00 Uhr

BAYERN 2

Motor City Detroit
Neustart zwischen Ruinen und Gemüsefeldern
Von Marietta Schwarz und Andreas Main
Internet: www.bayern2.de/zuendfunk

Detroit ist eine perfekte Filmkulisse: hier Ruinen, dort Brachen. Es ist die Leere, die schockiert und anzieht: Künstler und junge Farmer, die nach Detroit ziehen und neu anfangen wollen. Unsere Reporter waren zehn Tage lang unterwegs in der Motor City, der Geburtsstadt des Techno.
"Detroit ist eine sterbende und zugleich wieder auferstehende Stadt", sagt der Künstler Gary Schwartz über seine Wahlheimat. Seit Jahren dokumentiert er den Niedergang und trägt gleichzeitig zum Neuanfang bei. Einer von vielen Pionieren, die diese Stadt für sich entdeckt haben und entdecken. Eine Stadt voller Widersprüche: Autopisten durchschneiden die leere Motor City - aber nirgendwo erscheint Fahrradfahren so sicher wie hier. Supermärkte gibt es nicht mehr - dafür aber Biosalat "grown in Detroit". Die Kriminalitätsrate ist hoch - aber man grüßt sich auf der Straße.
Detroit war einmal der Motor des amerikanischen Traums, doch das ist lange her. Seit den 1950er Jahren schrumpft die Stadt. Für den Niedergang gibt es viele Gründe: Stadtflucht, Rassenunruhen, Immobilien- und Autokrisen. Innerhalb der Stadtgrenzen lebten einst knapp zwei Millionen Menschen. Die meisten sind weggezogen. Gerade mal rund 700.000 sind geblieben.
Shara Worden, Kopf von "My Brightest Diamond", lebte als Teenager westlich von Detroit. "In die Stadt gefahren sind wir nie", sagt sie. "Detroit hatte einen fürchterlichen Ruf. Und bis zu einem gewissen Grad ist das immer noch so." Selbst die Erfindung des Techno konnte der Stadt nicht helfen: Erfolg hatten die großen Techno-Veteranen im Ausland. Zuhause in den USA ist Techno bis heute Underground geblieben. Aber die Szene ist lebendig. Und Shara Worden, die Independent-Musikerin, zog mit ihrer kleinen Familie von New York genau hierhin, nach Detroit. Ihr Haus mit Garten ist ihr persönlicher Rückzugsort zwischen den weltweiten Konzertterminen.
Inzwischen scheint die Stadt den Tiefpunkt durchschritten zu haben. Die raue Oberfläche, die Ruinen und der Freiraum ziehen Künstler und Kreative an. "Die Leute sind hier freier, sich zu entfalten", sagt Michel Soucisse, Geschäftsführer des ersten und einzigen Hostels in Detroit. Das Hostel liegt in Corktown, einem Stadtteil, in dem sich der neue Pioniergeist an vielen Ecken zeigt: überall Gemeinschaftsgärten und innerstädtische Farmen. Neue Cafés eröffnen, gute Restaurants. Bildende Künstler, Musiker, Filme- oder auch Theatermacher reflektieren dieses Phänomen in ihren Arbeiten: Detroit, die rostige Autostadt, bekommt neuen Glanz und beginnt neu zu erblühen. Ist das die Neuauflage des amerikanischen Traums?
Wiederholung vom 08.12.2012