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Kommentar Reform der Erbschaftsteuer: Weder Ende, noch alles gut

Ein zähes Ringen ist beendet, vorerst: Union und SPD haben sich auf einen Kompromiss zur Reform der Erbschaftsteuer geeinigt. Warum die Debatte weitergeht und womöglich vor dem Verfassungsgericht landet, erklärt Charlie Grüneberg in seinem radioWelt-Kommentar.

Von: Charlie Grüneberg, BR-Hauptstadtstudio

Stand: 21.06.2016

Symbolbild Erbschaft: Ein Ordner mit Unterlagen, Geld, Taschenrechner | Bild: colourbox.com

Ende gut, alles gut – so möchte man gerne sagen, doch bei der Erbschaftsteuer ist die Einigung von Union und SPD weder das Ende, noch ist sie gut.

Das einzig Gute ist, dass es nun Rechtssicherheit gibt, wenn das geltende Gesetz zum Ende des Monats ausläuft. Ansonsten ist der Kompromiss vor allem ein Erfolg der Lobbyisten, wobei offen ist, wie lange sie sich daran erfreuen können.

Ob die Reform vor dem Verfassungsgericht Bestand hat?

Die Einigung ist so kompliziert ist, dass sie selbst Experten nur schwer durchschauen. Angesichts der komplexen Materie ist das aber verständlich, den Beteiligten gibt es die Chance sich jeweils als Sieger darzustellen.

Ob das allerdings auch dem Bundesverfassungsgericht reicht, ist mehr als offen: Bisher müssen Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern nicht nachweisen, dass sie Arbeitsplätze erhalten und deshalb keine Erbschaftsteuer zahlen. Genau aus diesem Grund aber haben die Verfassungsrichter die Verschonung als unverhältnismäßig gekippt. Weil nämlich ein Großteil der Firmen weniger als 20 Beschäftigte hat.

Jetzt sind nur noch Betriebe mit bis zu fünf Arbeitnehmern von der Nachweispflicht befreit. Damit bleiben aber nach wie vor etwa 96 Prozent aller Firmenerben von der Steuer befreit. CSU-Chef Horst Seehofer, der für diese Regel verantwortlich ist, glaubt vermutlich selber nicht, dass die Reform in Karlsruhe lange Bestand hat. Er will ohnehin eine ganz andere Erbschaftsteuer, eine bei der die Länder bestimmen können, wie hoch die Steuersätze sind.

Weil er damit auch in den Bundestagswahlkampf ziehen will, böte sich die dringend notwendige Diskussion über den Beitrag der Erbengeneration an einer fairen Lastenverteilung.

Die Erbschaftswelle rollt an

Denn Deutschland erlebt derzeit eine Erbschaftswelle: Schätzungsweise bis zu 300 Milliarden Euro werden pro Jahr vererbt oder verschenkt. Der Staat kassiert davon gerade mal rund 5 Milliarden. Zum Vergleich: Die Tabaksteuer, die jeder Raucher, ob arm oder reich zahlt, spült mit knapp 15 Milliarden fast dreimal so viel in die öffentlichen Kassen wie die Erben

Niemand will die besondere Bedeutung vor allem von Familienunternehmen bestreiten und ihre Rolle als Arbeitgeber. Dass eine weniger großzügige Regelung aber tatsächlich den Mittelstand zerschlagen würde oder Familienbetriebe vor dem Ausverkauf stünden, sind Schreckensszenarien der Lobby, die durch nichts untermauert werden.

Nur Trippelschritte zu mehr Gerechtigkeit

Mehr Gerechtigkeit bei der Erbschaftsteuer wäre also möglich, nur wahrscheinlich ist das nicht. Zumindest wenn man die Ansprüche von SPD-Chef Sigmar Gabriel zugrunde legt, der sich als Vorkämpfer für eine gerechtere Gesellschaft  sieht: 235 Millionen Euro Mehreinnahmen habe seine Partei durch den Kompromiss heraus geholt, so Gabriel. Wie Gabriel auf diese Zahl kommt, weiß nur er. Angesichts der erwähnten 300 Milliarden, die jährlich von einer Generation auf die andere übertragen werden, sind 235 Millionen nicht einmal ein Trippelschritt zu mehr Gerechtigkeit. Auch deshalb ist die Diskussion um die Erbschaftsteuer weder zu Ende, noch verläuft sie gut.


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