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Kommentar Der "Fall Bautzen" ist eigentlich ein 25 Jahre alter "Fall Sachsen"

Nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Rechtsextremen und Asylbewerbern schauen alle empört nach Bautzen. Ist die Aufregung gerechtfertig? Der Fall zeigt ein in Sachsen übliches Problem, meint Bastian Wierzioch. Ein radioWelt-Kommentar.

Von: Bastian Wierzioch, MDR

Stand: 16.09.2016

Polizei in Bautzen bei einer Kundgebung | Bild: picture-alliance/dpa

Es ist wieder passiert. In Bautzen kam es zu Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Neonazis, Flüchtlingen und der Polizei. Jetzt schlägt erneut die Stunde von Politikern und Medien, die ganz aufgeregt nach Ostsachsen schauen. Doch diese Aufregung ist überflüssig und unangebracht. Ganz Sachsen nämlich hat seit mehr als 25 Jahren ein gigantisches Problem mit Rechtsextremisten und nicht erst seit den jüngsten Vorfällen in Bautzen.

Die CDU hat wenig gegen Rechtsxtremisten unternommen

Der Reihe nach! Die seit der Wiedervereinigung ununterbrochen CDU-geführte Staatsregierung mit der sächsischen CDU im Rücken muss sich vorwerfen lassen bisher entschieden zu wenig gegen organisierte Rechtsextremisten im Freistaat unternommen zu haben. Es scheint zur DNA vieler sächsischer Christdemokraten zu gehören die Probleme, die Neonazis verursachen, zu ignorieren, zu verleugnen, zu verharmlosen und demokratische Akteure der Zivilgesellschaft wahlweise als Nestbeschmutzer oder als Linksextremisten zu diffamieren. Zuletzt versuchte dies der Leipziger CDU-Abgeordnete Thomas Feist mit Blick auf die Amadeu Antonio Stiftung. Und da hilft es auch nichts, dass Ministerpräsident Stanislav Tillich im vergangenen Februar einen Kurswechsel andeutete, in dem er unter dem Eindruck der Gewalttaten gegen Flüchtlinge in Clausnitz und eben damals schon in Bautzen rechtsextreme Gewalt scharf verurteilte. Das Problem dabei, Tillich erscheint als einsamer Rufer im Wald, denn seine Partei steht mitnichten geschlossen hinter der von ihm geforderten scharfen Kante gegen organisierte Neonazis.

Man muss sich nicht wundern. Weil Politik und Polizei gerade in den 90er Jahren Rechtsextremisten viel zu viel Raum gelassen haben, konnte sich im Freistaat eine brutale Neonazi-Kultur ausbreiten, in der es schlichtweg dazu gehört aggressiv aktiv zu sein, oftmals zuzuschlagen zum Beispiel in Ostsachsen.

Ist die Ausgangssperre für die Jugendlichen wirklich gerechtfertigt?

Bei all dem darf nicht verschwiegen werden, dass in Bautzen zumindest am vergangenen Mittwoch Gewalt in Form von Flaschenwürfen zuerst von jungen Flüchtlingen ausging. So etwas ist schäbig und muss verurteilt werden. Wenn jetzt aber der Landkreis ankündigt den etwa 30 in der Stadt lebenden jugendlichen Flüchtlingen ein Alkoholverbot und eine Ausgangssperre ab 19.00 aufzuerlegen. Dann hört sich das verdächtig nach Täter-Opfer-Umkehr an. Denn es ist wahrscheinlich – so hört man es zumindest von Sicherheitspolitikern im Freistaat -, dass sich die Asylsuchenden gewaltlos verhalten hätten, wären sie nicht zuvor von rund 80 Rechtsextremisten verbal angegriffen worden.

Für Medien und Politiker heißt es jetzt besonnen und unaufgeregt über die rechtsextreme Gewalt in Bautzen zu sprechen. Denn der Fall Bautzen ist eigentlich ein Fall Sachsen und zwar seit mehr als 25 Jahren. Und das ist der eigentliche Skandal.


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