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Baltikum-Treffen Steinmeier trifft Außenminister in Riga

Mit dem heutigen Treffen in der lettischen Hauptstadt Riga erinnern die drei Balten-Republiken Estland, Lettland und Litauen sowie Deutschland an die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen vor 25 Jahren.

Von: Daniel Pokraka

Stand: 13.09.2016

Ein Abzeichen mit der Aufschrift «Air Policing Baltikum 2015» ist in Ämari (Estland) auf dem Ärmel eines Bundeswehrsoldaten zu sehen  | Bild: picture-alliance/dpa

Detente und Deterrence – Dialog und Abschreckung: Diese Worte benutzt der Außenminister in letzter Zeit häufig, wenn es um den Umgang mit Russland geht. Seinen baltischen Kollegen schwebt dagegen ein deutlicher Schwerpunkt auf Abschreckung vor. Entsprechend begrüßen sie die vereinbarte Stationierung von 1.000-Mann starken NATO-Bataillonen auf den Staatsgebieten von Estland, Lettland und Litauen ab 2017; die Bundeswehr wird dabei in Litauen die Führung übernehmen.

Steinmeier plädiert für Rüstungskontrolle

Littauens Außenminister Linas Linkevicius

Weniger glücklich sind Esten, Letten und Litauer über Steinmeiers Idee, einen neuen Anlauf für eine Rüstungskontrolle zu unternehmen. Der litauische Außenminister Linkevicius zum Beispiel findet: In bestimmten Bereichen müsse man die Verteidigungsfähigkeiten sogar erhöhen – zumal sich Russland nicht einmal an schon bestehende Absprachen halte. Steinmeiers Sprecher sagte dazu gestern, der Minister werde heute versuchen, die Kritiker von den Vorzügen einer Rüstungskontrolle zu überzeugen.

Steinmeier wird Zurückhaltung üben

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier

"Säbelrasseln", "Kriegsgeheul" und "Panzerparaden“ nahe der Grenze zu Russland – diese Vorwürfe von Frank-Walter Steinmeier sorgten im Frühsommer bei manchen für Verwunderung, bei anderen für Entsetzen. Nicht nur, aber besonders im Baltikum. Steinmeiers Sprecher bestritt zwar, dass der Minister das große NATO-Manöver in Polen oder die geplante Verlegung von einigen tausend NATO-Soldaten ins Baltikum gemeint habe – aber: Was sonst? Klar dürfte jedenfalls sein, dass Steinmeier Reizwörter wie "Säbelrasseln“ oder "Kriegsgeheul“ heute bei seinem Besuch in Riga vermeiden wird – und der Unions-Außenpolitiker Jürgen Hardt ist guter Hoffnung, dass die Balten nicht nachtragend sind.

"Ich glaube, das ist Schnee von gestern. Die deutsche Haltung im Rahmen des NATO-Gipfels in Warschau Anfang Juli hat ja im Endeffekt klargemacht, was wir wollen und zu was wir bereit sind."

Jürgen Hardt, CDU

Russland abschrecken - Baltikum schützen

NATO-Bataillon in Littauen

Deutschland wird nämlich die Führung des NATO-Bataillons in Litauen übernehmen. Eine 1.000 Mann starke Einheit soll dort ab Anfang nächsten Jahres stationiert sein – ebenso große Bataillone wird es in Estland, Lettland und Polen geben. Das Ziel: Russland abschrecken; signalisieren, dass die NATO keine Aggression gegenüber ihren Mitgliedern duldet. Die Annexion der Krim hat die baltischen Staaten alarmiert; sie fürchten ähnliche Versuche der Russen auf ihren Staatsgebieten, wenn nicht militärisch, dann zumindest durch hybride Kriegsführung aus Moskau. Also: Propaganda und Desinformation, Aufstachelung der russischen Minderheiten, die im Baltikum leben. Die NATO, inklusive Deutschland, trägt dem mit ihrer Militärpräsenz Rechnung. Der Bundesaußenminister betont allerdings bei jeder Gelegenheit, dass er die Abschreckung Russlands unbedingt durch Dialog flankieren will. Um Eskalationen zu vermeiden und Berechenbarkeit zu schaffen.

"Und in diesen Zusammenhang gehört der Vorschlag Rüstungskontrolle in Europa wieder stärker in den Blick zu nehmen. Ich habe viele, viele positive Rückmeldungen erhalten auf diesen Vorschlag und jetzt geht es darum den konkreten Dialog zu beginnen."

Frank-Walter Steinmeier, Bundesaußenminister

Rüstungskontrolle – also letztlich: Absprachen mit Russland in militärischen Fragen. In den baltischen Staaten hält man davon wenig. Der litauische Außenminister Linkevicius zum Beispiel findet: In bestimmten Bereichen müsse man die Verteidigungsfähigkeiten sogar erhöhen – zumal sich Russland nicht einmal an schon bestehende Absprachen halte. Vor allem ihn will Steinmeier heute von den Vorzügen einer Rüstungskontrolle überzeugen.

"Der Versuch, immer wieder an den Stellen, an denen die europäische Friedensordnung in Gefahr und durcheinander geraten ist, Vorschläge und Initiativen zu entfalten, die dem großen Nachbarn der Balten im Osten die Gelegenheit gibt darauf konstruktiv einzugehen."

Martin Schäfer, Sprecher Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier

Abschreckung, Dialog, deutsche Solidarität und EU-Sanktionen gegen Russland

Ein Blick auf die Baustelle einer Brücke, die die Straße der Krim mit dem russischen Festland verbindet

Wobei man im Baltikum große Zweifel hat, dass aus Moskau wirklich Konstruktives zu erwarten ist. CDU/CSU und Grüne dagegen sind mit Steinmeiers Formel von Abschreckung und Dialog einverstanden. Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour sagt: Der Minister solle den Balten heute die deutsche Solidarität versichern, aber gleichzeitig klarmachen, dass auch der Dialog mit Russland nötig sei. Aber: Steinmeier müsse sich auch zu den EU-Sanktionen gegen Russland bekennen:

"Wenn Russland endlich die territorale Souveränität der Ukraine akzeptiert, inklusive der Krim, dann müssen die Sanktionen dann wegfallen und zwar schnell, aber bis dahin liegt der Ball in Moskau und das muss Steinmeier klarmachen, dass es kein Vertun gibt und das in Deutschland nicht gerüttelt wird."

Omid Nouripour, B90/Die Grünen

Die Linie von Außenminister Steinmeier und auch von Kanzlerin Merkel ist dabei inzwischen: Die Sanktionen können auch schrittweise gelockert werden – wenn es in der Ukraine-Krise bestimmte Fortschritte gibt.


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